Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Prüfung durch den MDK. wirksame Einleitung eines Prüfungsverfahrens trotz allgemein gehaltener Frage nach der Richtigkeit der kodierten Nebendiagnosen. Prüfung sämtlicher vergütungsrelevanter Nebendiagnosen. Korrekturen bzw Ergänzungen des Datensatzes nur innerhalb der Frist des § 7 Abs 5 PrüfvVbg
Leitsatz (amtlich)
1. Eine allgemein gehaltene Frage nach der Richtigkeit der kodierten Nebendiagnosen steht der wirksamen Einleitung eines Prüfungsverfahrens nicht entgegen (abweichend 10. Senat des LSG Schleswig vom 25.4.2023 - L 10 KR 15/21 ).
2. Eine Prüfanzeige, die sich generell auf die kodierten Nebendiagnosen bezieht, ist dahingehend auszulegen, dass sämtliche vergütungsrelevanten Nebendiagnosen beanstandet und geprüft werden sollen.
3. Ist der Datensatz "Nebendiagnosen" Prüfgegenstand, kann diese nur innerhalb des Fristenregimes des § 7 Abs 5 PrüfvVbg 2016 korrigiert oder ergänzt werden.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 26. April 2021 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.898,52 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die weitere Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.
Die 1927 geborene und 2018 verstorbene K. (Versicherte) war bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie wurde nach einem Sturz in der Klinik der Klägerin am 12. Mai 2018 zur Implantation einer zementierten Totalendoprothese der Hüfte stationär aufgenommen. Bei bestehender Herzinsuffizienz erfolgte eine medikamentöse Therapie. Außerdem erfolgte wegen laborchemisch nachgewiesener Hyponatriämie und Hyperkaliämie eine entsprechende Substitution sowie eine intravenöse Kalziumsubstitution. Am 17. Mai 2018 wurde die Endoprothese implantiert. Eine bekannte Aortenklappenstenose musste bei der Anästhesie berücksichtigt werden. Bei Blutungsanämie erfolgte die Transfusion von zwei Erythrozytenkonzentraten. Im Verlauf kam es zu einer Schmalkomlextachykardie bis 200/min. Während des Ereignisses trat eine Hypotonie auf. Unter medikamentöser Therapie stabilisierte sich der Zustand zunächst. Wenige Zeit später kam es zu einem zweiten Kreislaufeinbruch mit Hypotonie, Bradykardie und Kammerflimmern. Die daraufhin eingeleitete Reanimation blieb erfolglos.
Mit Rechnung vom 22. Juni 2018 stellte die Klägerin der Beklagten unter Zugrundelegung der DRG I05A (Revision oder Ersatz des Hüftgelenks ohne komplizierende Diagnose, ohne Arthrodose, ohne komplexen Eingriff, mit äußerst schweren CC) einen Betrag von 11.845,54 EUR in Rechnung, den die Beklagte zunächst beglich. Die Klägerin kodierte neben der Hauptdiagnose T84.14: R (Mechanische Komplikation durch eine interne Osteosynthesevorrichtung an Extremitätenknochen: Beckenregion und Oberschenkel) folgende Nebendiagnosen: I50.01 (Sekundäre Rechtsherzinsuffizienz), E87.1 (Hypoosmolalität und Hyponatriämie), D62 (Akute Blutungsanämie), I35.0 (Aortenklappenstenose), I49.0 (Kammerflattern und Kammerflimmern, N17.81 (Sonstiges akutes Nierenversagen: Stadium 1), Z47.0:R (Entfernung einer Metallplatte oder einer anderen inneren Fixationsvorrichtung), N39.48 (Sonstige näher bezeichnete Harninkontinenz), I10.00 (Benigne essentielle Hypertonie: Ohne Angabe einer hypertensiven Krise), E86 (Volumenmangel), E87.5 Hyperkaliämie), N18.3 (Chronische Nierenkrankheit, Stadium 3).
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nord (MDK) im Juli 2018 mit einer Kodierprüfung. Laut übersandtem Auszug aus dem System der Beklagten lautete der Prüfauftrag: „Ist/sind die Nebendiagnose(n) (ND) korrekt. Begründung: Worin bestand der Mehraufwand bzw. die Kodierrelevanz gemäß DKR?“. Der Klägerin zeigte die Beklagte die beauftragte Kodierprüfung mit dem Zusatz an, insbesondere zu prüfen seien die ICD-Schlüssel I50.01 (Sekundäre Rechtsherzinsuffizienz), E87.1 (Hypoosmolalität und Hyponatriämie), D62 (akute Blutungsanämie), I35.0 (Aortenklappenstenose), I49.0 (Kammerflattern und Kammerflimmern), N17.81 (Sonstiges akutes Nierenversagen: Stadium 1), E87.5 (Hyperkaliämie), N18.3 (Chronische Nierenkrankheit, Stadium 3).
Im Gutachten vom 8. Februar 2019 bestätigte der Gutachter T., dass für die Nebendiagnosen I50.01, E87.1, D62, I35.0, I49.0 und E87.5 ein eigenständiger diagnostischer, pflegerischer und/oder therapeutischer Aufwand vorgelegen habe, der die abrechnungsrelevante Kodierung gemäß der DKR D003 begründe. Die Nebendiagnose N17.81 sei hingegen nicht korrekt verschlüsselt worden. Es habe kein histologischer Befund vorgelegen. Stattdessen sei das beschriebene Krankheitsbild mit dem ICD-Kode N17.91 (Akutes Nierenversagen, nicht näher bezeichnet: Stadium 1) zu kodieren. Für die Nebendiagnose N18.3 läge kein Nachweis einer Chronizität vor. Die Nebendiagnose sei zu streichen. Daraus resultiere als Grouping-Ergebnis der DRG-Code I47B (Revision oder Ersatz de...