Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Ermittlung des Hilfebedarfs bei getrennt lebenden Ehegatten. Anforderungen an die Annahme eines dauerhaften Getrenntlebens
Orientierungssatz
1. Im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitslose ist bei Eheleuten von einem dauerhaften Getrenntleben, das eine Nichtberücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Ehegatten bei der Ermittlung des Hilfebedarfs zur Folge hat, erst dann auszugehen, wenn die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den Ehegatten aufgrund eines erkennbaren Willens auf Dauer aufgelöst ist. Dagegen liegt eine nur vorübergehende Trennung vor, wenn auch aus Sicht der Eheleute noch die Möglichkeit besteht, die Ehe weiter fortzusetzen. In diesem Fall ist für die Ermittlung der Hilfebedürftigkeit Einkommen und Vermögen beider Ehegatten zu berücksichtigen.
2. Zahlungen von Verwandten an einen Hilfebedürftigen, die ohne konkret vereinbarte Rückzahlungsverpflichtung geleistet werden, sind bei der Ermittlung des Hilfebedarfs im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende als Einkommen des Hilfeempfängers, jedenfalls aber als Hilfe von Angehörigen bedarfsmindernd zu berücksichtigen.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, begrenzt auf den Regelbedarf, nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Der am 00.00.0000 geborene Antragsteller wohnt gemeinsam mit seiner Ehefrau, Frau C., in einer Mietwohnung in B. Laut Mietvertrag vom 30.12.2012 ist Vermieterin der Wohnung die Schwester des Antragstellers, Frau M., Mieterin ist die Ehefrau des Antragstellers. Der Antragsteller bezog die Wohnung gemeinsam mit der Ehefrau, wobei die Eheschließung am 00.00.0000 erfolgte. Am 22.01.2019 beantragte der Antragsteller zum 01.07.2019 Leistungen nach dem SGB II. Bis 23.07.2019 bezog er Arbeitslosengeld I. Im Antrag gab der Antragsteller an, zu seiner Bedarfsgemeinschaft gehöre neben ihm eine weitere Person. Er lebe zusammen mit seiner Ehegattin, wobei sie nicht dauernd getrennt lebten. Neben Kontoauszügen legte der Antragsteller auch Einkommensbescheinigungen seiner Ehefrau bezüglich der Tätigkeit bei der Parfümerie N. GmbG in B. von November 2018 bis Januar 2019 vor; daraus ergab sich ein Nettoentgelt zwischen 1.949,04 Euro und 1.989,53 Euro. Mit Bescheid vom 26.02.2019 lehnte der Antragsgegner den Antrag mit der Begründung ab, dass der Antragsteller aufgrund der Höhe des anzurechnenden Einkommens nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II sei. Am 07.08.2019 beantragte der Antragsteller erneut Leistungen nach dem SGB II. Zum Familienstand gab er an, er sei dauernd getrennt lebend seit Februar 2019. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 07.08.2019 führte er aus, er lebe in der Wohnung in B. noch mit seiner getrennt lebenden Ehefrau zusammen. Sie hätten sich im April 2019 getrennt und er werde sich umgehend eine neue Wohnung suchen. Er versicherte, dass sie keine partnerschaftlichen Beziehungen pflegten und auch nicht mehr gemeinsam wirtschafteten. Sie würden bereits in getrennten Zimmern schlafen und hätten getrennte Konten. Die Gesamtmiete betrage monatlich 580,00 Euro; eigentlich müsse er den hälftigen Betrag (290,00 Euro) an seine getrennt lebende Ehefrau zahlen. Da er aufgrund seiner Einkommensverhältnisse hierzu nicht in der Lage sei, zahle er monatlich 230,00 Euro. Zum Beleg legte er Kontoauszüge vor, aus welchen sich für Juni, Juli und August 2019 ein Dauerauftrag an seine Ehefrau über 230,00 Euro ergab. Mit Schreiben vom 07.08.2019 forderte der Antragsgegner Unterlagen vom Antragsteller unter Hinweis auf seine Mitwirkungspflichten nach. Mit Bescheid vom 26.08.2019 lehnte der Antragsgegner den Antrag mit der Begründung ab, zur Ermittlung der Hilfebedürftigkeit sei es erforderlich gewesen, folgende Nachweise vorzulegen: Durch den Vermieter ausgefüllte Mietbescheinigung, vollständiger Mietvertrag in Kopie, Bestätigung der getrennt lebenden Ehefrau bezüglich Trennung und Wohn- bzw. Mietverhältnis. Trotz Aufforderung vom 07.08.2019 seien diese Nachweise nicht vorgelegt worden. Eine Entscheidung, ob der Antragsteller hilfebedürftig ist, sei daher nicht möglich. Dagegen legte der Antragsteller am 29.08.2019 Widerspruch ein und legte eine Erklärung der Ehefrau vor mit dem Inhalt "mein Ehemann B. M. und ich sind getrennt lebend". Weiter legte er einen Untermietvertrag mit Datum vom 22.08.2019 vor zwischen ihm und der Ehefrau. Darin war eine Gesamtmiete i.H.v. 580,00 Euro vereinbart worden (§ 2 Nr. 3 des Vertrags). Der Untermietvertrag sollte am 01.08.2019 beginnen und nach 3 Monaten enden (§ 5 Nr. 1 und 2 des Vertrags). Mit Schreiben vom 11.09.2019 führte der Antragsgegner aus, es fehlten nach wie vor (im Einzelnen bezeichnete) Unterlagen zum Antrag. Auch sei zu erklären, warum der Antragstelle...