Entscheidungsstichwort (Thema)
Genehmigungsfiktion des Leistungsantrags bei Nichteinhaltung der Bescheidungsfrist durch die Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Hat die Krankenkasse bei einem Leistungsantrag des Versicherten die Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB 5 nicht eingehalten und dem Versicherten die Gründe hierfür vor Ablauf der Frist nicht mitgeteilt, so gilt die Genehmigung der beantragten Leistung durch einen fingierten Verwaltungsakt als erlassen.
2. Durch die Fiktion der Genehmigung ist die Leistungsberechtigung des Versicherten wirksam verfügt und die Krankenkasse mit allen Einwendungen ausgeschlossen. Der Versicherte kann die Leistung entweder verlangen oder sich diese selbst beschaffen.
3. Unbeachtlich im Fall der Genehmigungsfiktion ist, ob die Leistung tatsächlich zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehört.
Tenor
Die Beklagte wird unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 16.09.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2015 verurteilt, der Klägerin eine Brustaufbauoperation (Mammaaugmentation) und eine Bauchdeckenstraffung (Abdominoplastik) zu gewähren.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Durchführung einer postbariatrischen Brustaufbauoperation und einer Abdominoplastik als Sachleistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin litt 2013 an massivem Übergewicht. Sie wog 190 kg bei einer Größe von 170 cm. Dies entspricht einem Body-Mass-Index (BMI) von 65,7. Infolge eines vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) empfohlenen und von der Beklagten gewährten bariatrischen Operation (sog. Schlauchmagen-Operation) nahm die Klägerin binnen 2 Jahren 105 kg ab. Das Gewicht von 85 kg (BMI 29,4) wird von ihr gehalten. Durch die Gewichtsreduktion kam es zu erschlaffter, überschüssiger Haut mit Faltenbildung (sog. Fettschürzen) und wiederkehrenden Entzündungen in den Falten.
Mit Schreiben vom 07.07.2015, bei der Beklagten eingegangen am 10.07.2015, beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für folgende Operationen:
- Brachioplastik (Entfernung überschüssiger Haut der Oberarme),
-Abdominoplastik (Bauchdeckenstraffung),
- Bodylift (Körperstraffung),
- Dermolipektomie (Entfernung von Hautfettgewebe an beiden Beinen),
- Mammaaugmentation (Brustaufbau).
Sie legte hierzu befürwortende Stellungnahmen der Klinik für plastische Chirurgie des Universitätsklinikums B. (Prof. Dr. Q.), der Dermatologin T., des Plastischen Chirurgen Dr. U. und des Frauenarztes Dr. M. sowie Lichtbilder, die sie vor und nach der bariatrischen Operation zeigen, vor.
Mit Schreiben vom 16.07.2015 bestätigte die Beklagte der Klägerin den Eingang des Antrags und teilte ihr mit, dass zur weiteren Bearbeitung eine gutachterliche Stellungnahme des MDK erforderlich sei. Am selben Tag erteilte die Beklagte dem MDK einen Begutachtungsauftrag mit der Frage, ob die Operationen bzw. Korrekturen als medizinisch begründet empfohlen werden können und ob eine Krankheit im Sinne des Sozialgesetzbuches vorliege oder ob es sich um eine kosmetische Korrektur handele. Das Gutachtenauftragsformular enthält in Fettdruck den Hinweis "Fristende KK (5 Wochen): 14.08.2015". Mit Schreiben vom 24.07.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, mit dem MDK sei ein Termin für den 04.08.2015 vereinbart worden, und bat die Klägerin, diesen wahrzunehmen; zugleich wies sie daraufhin, dass die Leistungsansprüche beeinträchtigt werden könnten, wenn dieser Einladung ohne wichtigen Grund nicht nachgekommen würde. Am 04.08.2015 untersuchte und begutachtete die MDK-Ärztin Dr. Mohnen die Klägerin. Sie kam zum Ergebnis, dass eine Indikation für eine Hautstraffung der Oberarme und Oberschenkel bestehe, nicht aber für eine Brustangleichung bzw. einen Brustaufbau und eine Bauchdeckenstraffung. Das MDK-Gutachten ging am 12.08.2015 bei der Beklagten ein.
Ohne der Klägerin zuvor weitere Mitteilungen zum Verfahrensgang zu machen, bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 16.09.2015 eine Hautstraffung an Oberarmen und Oberschenkeln, lehnte jedoch einen Brustaufbau und eine Bauchdeckenstraffung unter Hinweis auf die Stellungnahme des MDK ab.
Gegen die ablehnende Entscheidung erhob die Klägerin am 18.09.2015 Widerspruch. Sie trug vor, die Beklagte habe ihr keine hinreichenden Gründe für eine Verzögerung der Bearbeitung ihres Antrags genannt. Die gesetzliche Verpflichtung aus § 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), innerhalb von drei Wochen bzw. fünf Wochen (bei Einbeziehung des MDK) zu entscheiden, sei ohne hinreichende Gründe überschritten worden. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass im Hinblick darauf alle beantragten Leistungen als genehmigt gelten würden.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 14.12.2015 zurück. Sie meinte, die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V greife nur, wenn der Antrag eine grundsätzlich von der Krankenkass...