Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktion der Genehmigung eines Leistungsantrags des Versicherten bei Überschreiten der Bescheidungsfrist
Orientierungssatz
1. Hat die Krankenkasse bei einem Leistungsantrag des Versicherten die in § 13 Abs. 3a SGB 5 benannte Frist zur Bescheidung nicht eingehalten ohne den Hinderungsgrund schriftlich mitzuteilen, so gilt die Genehmigung der beantragten Leistung durch einen fingierten Verwaltungsakt als erlassen.
2. Das Wirksamwerden der Genehmigungsfiktion hängt nur von der Nichteinhaltung der Frist bzw. der fehlenden schriftlichen Begründung der Nichteinhaltung der Frist ab, nicht dagegen von der Einhaltung des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots nach §§ 2 Abs. 1 S. 3, 12 Abs. 1 SGB 5.
3. Mit der Genehmigungsfiktion ist die Krankenkasse mit allen Einwendungen ausgeschlossen.
Tenor
Der Bescheid vom 29.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.2015 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die beantragte Abdominoplastik und Dermolipektomie als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für einer Abdominoplastik und Dermolipektomie der Oberschenkel.
Die gesetzlich bei der Beklagten versicherte Klägerin beantragte am 12.09.2014 bei der Beklagten unter Übersendung entsprechender Atteste ihrer behandelnden Ärzte die Kostenübernahme einer Abdominoplastik und einer Dermolipektomie der Oberschenkel. Sie habe ihr Gewicht von ursprünglich 145 kg Körpergewicht auf (bei Antragstellung) 90 kg reduziert. Sie werde allerdings nun durch eine unschöne Fettschürze am Bauch sowie überschüssige Haut an den Oberschenkeln in ihrem Beruf als Altenpflegerin wie auch im privaten Alltag beeinträchtigt. Außerdem leide sie aufgrund der körperlichen Entstellung unter einer schweren Depression.
Die Beklagte holte ein Gutachten beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein und lehnte den Antrag dann mit Bescheid vom 29.10.2014 ab. Voraussetzung für eine Kostenübernahme der beantragten Operation durch die gesetzlichen Krankenkassen sei das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen Erkrankung. Zur Beurteilung seien die Unterlagen der Klägerin an den beratenden Arzt des MDK weitergeleitet worden. Dieser komme zu dem Ergebnis, dass sowohl am Bauch als auch an den Oberschenkeln diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Durch die Ernährungsumstellung sei es zwar zu einer Gewichtsreduktion gekommen, wodurch sich ein Hautüberschuss am Bauch und an den Oberschenkeln gebildet habe. Dieser sei aber nur gering ausgeprägt. Weder seien funktionelle Einschränkungen noch therapieresistente Hauterkrankungen belegt. Damit ergebe sich keine medizinische Indikation zur Kostenübernahme der geplanten Operationen. Vielmehr seien eine weitere Gewichtsreduktion bis in den Normbereich, eine intensive Hautpflege mit fachdermatologischer Unterstützung sowie eine fachärztliche Behandlung der Depression angezeigt.
Die Klägerin erhob Widerspruch gegen diesen Bescheid.
Am 20.12.2014 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass die Beklagte die fünfwöchige Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht eingehalten habe. Auch habe sie es versäumt, die Klägerin darüber zu informieren, dass sie diese Frist nicht einhalten wird können. Als Rechtsfolge trete daher die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V ein.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 29.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die beantragte Abdominoplastik und der Dermolipektomie der Oberschenkel als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass sich die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V ausschließlich auf die in § 11 Abs. 1 SGB V abschließend aufgezählten Leistungsarten beziehe. Von der Fiktionswirkung seien daher nur Leistungen erfasst, die von den Gesetzlichen Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen seien. Bei der Klägerin liege eine Krankheit im Sinne des SGB V nicht vor, so dass die Beklagte auch keine Sach- oder Dienstleistung zu erbringen habe. § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V diene ausschließlich der Beschleunigung der Leistungserbringung. Habe die Krankenkasse die Entscheidungsfristen nicht eingehalten, habe sie die vollen Kosten solcher Leistungen zu erstatten, die sie bei rechtzeitiger Leistungserbringung in Natur als Sach- oder Dienstleistung kostengünstiger erbracht hätte. Weitere Sanktionsmöglichkeiten habe der Gesetzgeber nicht vorgesehen.
Die Beklagte hat im laufenden Klageverfahren den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.2015 zurückgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt das Gericht Bezug auf die Gerichtsakten und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhan...