Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Zuzahlung. Belastungsgrenze. keine Zusammenrechnung mit beihilferechtlichen Selbstbehalten anderer Haushaltsangehöriger. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Bei der Ermittlung der Belastungsgrenze sind zwar die Einkünfte aller mit dem Versicherten im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen zusammenzurechnen, unabhängig davon, ob sie gesetzlich krankenversichert sind oder nicht; jedoch sind als Belastung nur die von der GKV erhobenen Eigenanteile zu berücksichtigen; eine Zusammenrechnung mit beihilferechtlichen Selbstbehalten anderer Haushaltsangehöriger findet nicht statt (vgl BSG vom 19.2.2002 - B 1 KR 20/00 R = SozR 3-2500 § 62 Nr 1).
2. In der Nichteinbeziehung beihilferechtlicher Eigenbehalte im Rahmen der Prüfung geleisteter Zuzahlungen nach §§ 61, 62 SGB 5 liegt kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger 77,64 EUR von im Jahre 2010 geleisteten Zuzahlungen zu erstatten hat.
Der 0000 geborene Kläger ist bei der Beklagten und war 2010 bei deren Rechtsvorgängerin, der BKK Gesundheit, gesetzlich krankenversichert. Er leidet an einer schwerwiegenden chronischen Krankheit und ist - und war es auch 2010 - deshalb in ärztlicher Dauerbehandlung. Er hatte 2010 folgende Bruttoeinnahmen aus - Erwerbsminderungsrente (monatlich 896,15 EUR) 10.753,80 EUR - 2 Altersvorsorgeverträgen 4.246,01 EUR insgesamt 14.999,81 EUR
Der eingetragene Lebenspartner des Klägers ist nach beamtenrechtlichen Grundsätzen beihilfeberechtigt (70 %) und zusätzlich (30 %) privat krankenversichert. Im Jahre 2010 betrugen seine Bruttoeinkünfte (aus Versorgungsbezügen) 25.685,01 EUR.
Am 28.03.2011 beantragte der Kläger die Erstattung von für das Jahr 2010 geleisteten Zuzahlungen. Er überreichte hierzu Nachweise über das eigene Bruttoeinkommen und das des Lebenspartners im Jahre 2010, eine ärztliche Bescheinigung über eine dauerhafte schwere chronische Krankheit sowie Belege über Zuzahlungen, die er 2010 nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geleistet hatte; dies waren vier Praxisgebühren à 10,00 EUR und Zuzahlungen zu Arzneimitteln von 145,00 EUR, insgesamt 185,00 EUR. Desweiteren legte er eine Bescheinigung über nach Beihilferecht einbehaltene Eigenanteile seines Lebenspartners im Rahmen der von diesem erhaltenen Beihilfe für 2010 in Höhe von 253,50 EUR vor.
Durch Bescheid vom 05.04.2011 lehnte die Beklagte den Zuzahlungserstattungsantrag ab mit der Begründung, im Jahre 2010 sei die Belastungsgrenze von 360,86 EUR nicht erreicht worden; es seien nur Zuzahlungen von 185,00 EUR geleistet worden. Die Berechnung der Belastungsgrenze gemäß § 62 SGB V nahm die Beklage wie folgt vor:
Bruttoeinnahmen des Klägers 14.999,81 EUR Bruttoeinnahmen des Lebenspartners 25.685,01 EUR 40.684,82 EUR
abzüglich Angehörigen-Freibetrag - 4.599,00 EUR 36.085,82 EUR
Hiervon 1 % (Chroniker-)Belastungsgrenze 360,86 EUR abzüglich Zuzahlungen des Klägers - 185,00 EUR Rest unterhalb Belastungsgrenze 175,86 EUR.
Dagegen erhob der Kläger am 06.04.2011 Widerspruch. Er rügte, dass die nachgewiesenen Beihilfe-Eigenanteile seines Lebenspartners in Höhe von 253,50 EUR nicht berücksichtigt worden seien. Er meinte, bei diesen handele es sich um berücksichtigungsfähige Zuzahlungen. Zum 01.01.2007 seien die Regelungen zur Beihilfefähigkeit von Medikamenten geändert und den Arzneimittelrichtlinien der Gesetzlichen Krankenversicherung angeglichen worden; hierdurch habe sich die Rechtslage geändert. Die Nichtanerkennung geleisteter Eigenanteile eines Beihilfeempfängers stelle einen Gesetzesverstoß dar.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 02.11.2011 zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei der Ermittlung der Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 1 SGB V würden zwar die Zuzahlungen und die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten und seines Lebenspartners jeweils zusammengerechnet und um 15 % der jährlichen Bezugsgröße (2010: 4.599,00 EUR) vermindert. Bei dem Betrag, um den 2010 die beihilfefähigen Aufwendungen des Lebenspartners nach beihilferechtlichen Regelungen gemindert worden seien, handele es sich jedoch nicht um eine gesetzliche Zuzahlung nach § 61 SGB V, die nach § 62 SGB V hätte berücksichtigt werden können. Deshalb seien nur die geleisteten gesetzlichen Zuzahlungen nach § 61 SGB V in Höhe von 185,00 EUR berücksichtigt worden.
Dagegen hat der Kläger am 08.11.2011 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, entweder hätten sowohl die Einnahmen als auch die Eigenanteile seines Lebenspartners in die Berechnung einbezogen oder beides außer Acht gelassen werden müssen; die Einbeziehung nur einer der beiden Werte verfälsche das Ergebnis und verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Der Kläger ist der Auffassung, beihilferechtliche Eigenbehalte nach § 49 der Bundesbeihilfev...