Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit der Verschärfung des Zugangs zu den Leistungen nach § 2 AsylbLG
Orientierungssatz
1. Die Vorschrift des § 2 AsylbLG ist im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen eines Vorbezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG über einen Zeitraum von insgesamt 48 Monaten einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Die Vorbezugszeit ist nämlich keine Wartefrist, innerhalb derer es unerheblich wäre, ob und welche Sozialleistungen der Ausländer bezogen hat.
2. Einer den Wortlaut erweiternden Auslegung des § 2 AsylbLG, mit der Bezugszeiten anderer Leistungen als derjenigen nach § 3 AsylbLG, auch solcher nach § 2 AsylbLG oder Zeiten ohne irgendeinen Leistungsbezug gleichgestellt würden, stehen Sinn und Zweck der Regelung und deren Gesetzesentwicklung entgegen.
3. Mir der Verlängerung der Vorbezugszeit von 36 auf 48 Monate ab dem 28. 8. 2007 sollten nach der Gesetzesbegründung Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG ermutigt werden, ihren Lebensunterhalt möglichst durch eigene Arbeit und nicht durch Leistungen des Sozialsystems zu sichern. Niedrige Leistungen sollten folglich dazu dienen, Anreize für die Aufnahme einer Beschäftigung zu geben.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten für die Zeit vom 01.03. bis 10.12.2005 Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in entsprechender Anwendung des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) anstelle der bewilligten Leistungen nach § 3 AsylbLG.
Die 0000 geborene Klägerin ist libanesische Staatsangehörige. Sie hielt sich erstmals von März 1990 bis Dezember 1992 in Deutschland auf. Im Januar 1993 kehrte sie in den Libanon zurück. Im Dezember 1994 reiste sie erneut nach Deutschland ein und beantragte zum zweiten Mal Asyl. Nach bestandskräftiger Ablehnung des Asylantrags war sie ab 05.06.1998 im Besitz einer "Duldung". Ab 17.12.1999 besaß sie eine Aufenthaltsbefugnis gem. § 30 Abs. 3 des (damals geltenden) Ausländergesetzes (AuslG). Seit 28.11.2005 ist die Klägerin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Die Ausübung einer (nicht selbstständigen) Beschäftigung ist ihr - zumindest seit 2003 - gestattet. Die Klägerin bezog in der Vergangenheit vom 11.12.1997 bis 31.12.1999 (= 24 Monate, 21 Tage) Leistungen nach § 3 AsylbLG, vom 01.01.2000 bis 31.12.2004 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und vom 01.01.2005 bis 10.12.2005 (= 11 Monate, 10 Tage) wieder Leistungen nach § 3 AsylbLG. Seit dem 11.12.2005 (Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 21.11.2005) erhält sie Leistungen nach § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des SGB XII.
Am 23.03.2009 beantragte die Klägerin gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eine Überprüfung der Bescheide für die Zeit ab März 2005 bis einschließlich des letzten Bescheides, in welchem ihr noch Grundleistungen nach § 3 AsylbLG bewilligt worden waren. Zur Begründung trug sie vor, trotz eines mehr als dreijährigen Leistungsbezuges vor dem 01.01.2005 habe sie ab Januar 2005 nur abgesenkte Grundleistungen nach dem AsylbLG erhalten, da die unmittelbar vorangegangenen Zeiten des Bezugs von Leistungen nach dem BSHG nicht auf die damals erforderliche 36-Monatsfrist angerechnet worden seien. Die Nichtanrechnung der Bezugszeiten vorrangiger Leistungen auf die 36-Monatsfrist sei ein Verstoß gegen das Grundgesetz.
Der Beklagte lehnte eine Rücknahme der Leistungsbescheide für den Zeitraum vom 01.03. bis 10.12.2005 gem. § 44 SGB X ab mit der Begründung, dass bei Erlass dieser Bescheide weder das Recht unrichtig angewandt worden sei noch der Sachverhalt sich als unrichtig erwiesen habe; deshalb seien ihr Sozialhilfeleistungen nicht vorenthalten worden. Den dagegen am 20./22.04.2009 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 04.06.2009 als unbegründet zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 26.06.2009 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), nur tatsächlich erhaltene Grundleistungen nach § 3 AsylbLG anzurechnen, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu vertreten; eine dahingehende Auslegung des § 2 Abs. 1 AsylbLG lasse sich auch nicht dem Willen des Gesetzgebers entnehmen; käme man gleichwohl zu einem dahingehenden Auslegungsergebnis, wäre die Vorschrift selbst verfassungswidrig. Die Klägerin habe auf die Art des Leistungsbezuges keinen Einfluss. Die humanitären Gründe für den Aufenthalt, der sich im Laufe der Zeit weiter verfestigt habe, sei bereits mit Erteilung der Aufenthaltsbefugnis im Jahre 2000 anerkannt worden; mit Erteilung dieses Aufenthaltstitels sei die Ausreisepflicht entfallen. Nach inzwischen bereits mehr als zwölfjährigem nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusstem Aufenthalt im Bundesgebiet könne der Klägerin nicht zugemutet werden, auf den Bezug lediglich von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG verwiesen zu werden. Die Beschränkung auf das Grundleistungsniveau sei verfassu...