Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwertungspflicht von Wohnungseigentum bei der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung
Orientierungssatz
1. Bei der Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung sind nach § 12 SGB 2 als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.
2. Für den Bewilligungszeitraum, auf den ein Leistungsantrag bezogen ist, muss im Vorhinein eine Prognose getroffen werden, ob und welche Verwertungsmöglichkeiten bestehen, die geeignet sind, Hilfebedürftigkeit abzuwenden.
3. Ist der Antragsteller Alleineigentümer einer - im Ausland gelegenen - Wohnung, so hindert dieser Umstand grundsätzlich nicht deren Verwertbarkeit. Die erfolgte gutachterliche Bestimmung eines Verkehrswertes beinhaltet eine fundierte Prognose über die Verwertbarkeit des Vermögensgegenstandes am Markt in absehbarer Zeit.
4. Der Verwertungsausschluss des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB 2 setzt das Bestehen einer besonderen Härte voraus. Nach Sinn und Zweck der Härteregelung begründen nur besondere, bei anderen Leistungsberechtigten regelmäßig nicht auftretende Umstände des Einzelfalles, nicht aber allgemein gültige Verhältnisse eine besondere Härte.
5. Bewohnt der Ehegatte des Antragstellers dessen in seinem Alleineigentum im Ausland stehende Wohnung und droht er durch die Verwertung obdachlos zu werden, so begründet ein solcher Umstand nicht das Vorliegen einer besonderen Härte.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitgegenstand ist die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Jahr 2014 als Zuschuss statt als Darlehen.
Die am 00.00.00 geborene Klägerin ist ungarische Staatsangehörige und lebt nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik seit August 2002 in der G-straße in B. Bis einschließlich Juni 2012 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fachhochschule B. beschäftigt, danach - bis November 2012 - arbeitete sie auf Honorarbasis für die Fachhochschule B ... Im Anschluss bezog sie Arbeitslosengeld I.
Sie ist verheiratet mit dem am 00.00.00 geborenen Herrn I., der bis zum Jahr 2004 mit der Klägerin gemeinsam in Deutschland lebte, anschließend jedoch nach Ungarn zurückkehrte, weil er keine Arbeit in Deutschland fand. In Ungarn übt er eine Aushilfstätigkeit aus, mit der er durchschnittlich ca. 230-250 EUR monatlich verdient, und bewohnt eine 52 Quadratmeter große Zwei-Zimmer-Wohnung in C., deren Alleineigentümerin die Klägerin ist. Die Wohnung hat einen Verkehrswert von ca. 30.500 EUR und ist lastenfrei. Eine Verpflichtung der Klägerin aus einem Finanzierungsvertrag besteht nicht. Weitere zu beachtende Vermögenswerte besitzt die Klägerin - nach Verbrauch ihres Girokontoguthabens bei der Sparkasse Aachen - seit 01.01.2014 nicht (mehr).
Mit Schreiben vom 03.02.2014 führte der Beklagte aus, der Klägerin seien Leistungen der Grundsicherung nach § 24 Abs. 5 SGB II darlehensweise zu gewähren. Zwar sei das Wohnungseigentum der Klägerin grundsätzlich zu verwerten und für den Lebensunterhalt einzusetzen, jedoch sei eine sofortige Verwertung nicht möglich. Der Beklagte gehe bei dem Verkauf einer Immobilie regelmäßig davon aus, dass bereits die technische Abwicklung eine gewisse, nicht unerhebliche Zeit in Anspruch nehme. Daher bewillige er die von der Klägerin beantragten Leistungen als Darlehen. Es stehe dem Beklagten frei, die Vergabe des Darlehens und die damit verbundenen Bedingungen als Nebenbestimmungen zu einem Bescheid über die Leistungsgewährung festzulegen, oder einen gesonderten öffentlich-rechtlichen Vertrag zu schließen. Vorliegend sei er der Auffassung, dass ein öffentlich-rechtlicher Vertrag sachgerecht sei. Rechte und Pflichten seien besser darstellbar als in einem Bescheid. Der Darlehensvertrag sei untrennbarer Teil der mit dem Leistungsbescheid ergangenen Verwaltungsentscheidung. Der Darlehensvertrag sei gesondert anfechtbar. Ebenso könne der Bescheid selbstständig oder mit dem Vertrag gemeinsam angefochten werden. Nach Darlegung der "Vertragsmodalitäten" folgte eine Rechtsbehelfsbelehrung zu einem möglichen Widerspruch. Ein separater entsprechender Darlehensvertrag wurde vom Beklagten und der Klägerin unter dem 03.02.2014 unterzeichnet.
Mit Bescheid vom 19.02.2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 30.06.2014 in monatlicher Höhe von 893,51 EUR als zinsloses Darlehen.
Am 06.03.2014 legte die Klägerin über ihren Bevollmächtigten Widerspruch gegen den "Bescheid vom 03.02.2014", zugegangen am 07.02.2014, ein. Gleichzeitig erklärte er die Anfechtung des Darlehensvertrages vom 03.02.2014 wegen Irrtums. Der angefochtene Bescheid und der auf dem angefochtenen Bescheid beruhende Darlehensvertrag sei rechtswidrig, soweit unter § 4 die zielstrebige Veräußerung der Eigentumswohnung gefordert werde. Die Forderung der Veräußerung des Wohnungseigentums sei unverhältnismäßig. Die Wohnung werde durch den Ehemann der Klägerin bewohnt, de...