Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Zwangsmitgliedschaft. deutscher Unternehmer. Verfassungsmäßigkeit. Europarechtskonformität

 

Orientierungssatz

Die Pflichtmitgliedschaft der Unternehmer in der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung verstößt weder gegen das Grundgesetz noch gegen Vorschriften des Europäischen Rechts.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Entlassung aus der Pflichtmitgliedschaft zur Beklagten.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen des Gerüstbaus und ist nach Umschreibung des Unternehmens von ... auf ... seit Januar 1991 im Unternehmerverzeichnis der Beklagten eingetragen. Für das Jahr 2005 belief sich der Beitrag auf 16.771,64 €.

Mit Schreiben vom 10.03.2006 kündigte die Klägerin die Pflichtmitgliedschaft im Bereich der Versicherung der Arbeitnehmer gegen die Risiken des Arbeitsunfalles und der Berufskrankheiten zum 31.12.2006.

Mit Bescheid vom 25.04.2006 lehnte die Beklagte den Antrag auf Entlassung aus der Pflichtmitgliedschaft mit der Begründung ab, dass die Zugehörigkeit zur Berufsgenossenschaft weder an einen Antrag gebunden sei noch in das Ermessen des Unternehmens gestellt sei. Die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft für ein Unternehmen ende erst, wenn das Unternehmen für dauernd eingestellt werde. Auch eine evtl. private Absicherung der Arbeitnehmer durch das Unternehmen ändere nichts an diesem Sachverhalt.

Die Klägerin legte hiergegen am 05.05.2006 Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, dass die Zwangsmitgliedschaft mit Europäischem Recht und Verfassungsrecht unvereinbar sei.

Durch Widerspruchsbescheid vom 30.06.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die am 26.06.2006 erhobene Klage.

Sie vertritt die Auffassung, die Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten verstoße gegen das Recht der Europäischen Union und gegen das Grundgesetz. Den bei der Beklagten versicherten Unternehmen werde jegliche Möglichkeit genommen, sich anstatt bei der Berufsgenossenschaft anderweitig bei einer inländischen oder EU-ausländischen Versicherung nach dem Standard der gesetzlichen Unfallversicherung privat abzusichern.

Diese Monopolstellung finde keine Rechtfertigung. Die Klägerin könne sich auch dann auf die Dienstleistungsfreiheit berufen, wenn sie nicht selbst als Versicherer auf dem deutschen Markt tätig werden wolle, denn der EuGH habe in zulässiger Rechtsfortbildung den Anwendungsbereich der Artikel 49, 50 EGVtr auf die Fälle erweitert, bei denen nur die Dienstleistung selbst die Grenze überschreitet, während die in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässigen Dienstleistungsempfänger und Dienstleistungserbringer keine Ortsveränderung vornehmen.

Darüber hinaus sei die Versicherungstätigkeit der Beklagten als unternehmerische Tätigkeit zu bewerten und unterliege damit den Regelungen der Artikel 81 ff. EGVtr. Die Berufsgenossenschaften hätten als staatliches Monopol eine marktbeherrschende Stellung. Bereits die Schaffung dieses Monopols sei zwingend mit einem Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung verbunden; darüber hinaus pflege ein Verstoß gegen Artikel 82 dann vor, wenn durch diese Stellung eine Lage geschaffen werden könnte, in der die Möglichkeit besteht, dass das Unternehmen, hier die Beklagte, einen solchen Missbrauch begehen könnte.

Nationales Verfassungsrecht sei ebenfalls verletzt. Durch die hohe Beitragslast werde die Liquidität der Unternehmen gefährdet und die wirtschaftliche Tätigkeit behindert (Verstöße gegen Artikel 2 Abs. 1, Artikel 3, Artikel 12 und Artikel 14 des Grundgesetzes - GG -).

Die Klägerin beantragt:

Den Bescheid der Beklagten vom 25.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie zum 31.12.2006 aus der Pflichtmitgliedschaft zu entlassen, soweit der Bereich der Versicherung der Arbeitnehmer gegen die Risiken des Arbeitsunfalles und der Berufskrankheiten betroffen ist.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage abzuweisen.

Sie hält die getroffene Entscheidung für zutreffend und mit geltendem Recht und Rechtsprechung für vereinbar.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angegriffene Bescheid ist nicht aufzuheben, denn er ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, die Klägerin aus der berufsgenossenschaftlichen Pflichtmitgliedschaft nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) zu entlassen.

Eine Pflichtmitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten sowie die sich danach ergebende Beitragspflicht resultiert aus den §§ 121, 150 SGB VII. Gemäß § 121 SGB VII...

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