Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht: Voraussetzung der Zuerkennung eines Nachteilsausgleichs in Form des Merkzeichens aG für eine außergewöhnliche Gehbehinderung
Orientierungssatz
1. Soweit ein schwerbehinderter Menschen zumindest noch in der Lage ist, mit Hilfe eines Rollators in 10 bis 15 Minuten eine Gehstrecke von einigen 100 Metern zurückzulegen, liegt noch keine mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung vor, welche die Zuerkennung des Merkzeichens aG für eine außergewöhnliche Gehbehinderung als Nachteilsausgleich rechtfertigt.
2. Einzelfall zur Zuerkennung des Merkzeichens aG bei Gesundheitsbeeinträchtigungen nach einem Schlaganfall (hier: Zuerkennung abgelehnt).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "außergewöhnliche Gehbehinderung" (Merkzeichen aG).
Bei dem am 00.00.0000 geborenen Kläger ist seit dem 24.03.2009 ein Grad der Behinderung (GdB) von 90 festgestellt Dem lagen im Wesentlichen eine Funktionsstörung der Ohren (Einzel-GdB 50), eine Hirnleistungsbeeinträchtigung, Folgen nach Schlaganfällen, zuletzt Oktober 2008, Hemisymptomatik links, Dysarthrie, Gangunsicherheit - nach Behandlungsabschluss ohne Einschränkung der Gehstrecke, sicherer und regelrechter Gang (Einzel – GdB 40) und eine Sehminderung (Einzel – GdB 30) zu Grunde (versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 20.03.2009).
Seit 1998 verfolgt der Kläger das Ziel der Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen aG in wiederholten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren (zuletzt SG Aachen S 18 SB 459/17 – Klagerücknahme; S 18 SB 829/17 - die Erledigung nach Klagerücknahme feststellend aufgrund eines erklärten "Rücktritts" von der Klagerücknahme; S 12 (22) SB 863/17 – als unzulässig abweisend wegen fehlenden vorangegangenen Verwaltungsverfahrens).
Im Dezember beantragte der Kläger erneut die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG. Zur Begründung führte er an, außer den bereits bekannten Behinderungen kämen noch weitere, noch nicht berücksichtigte orthopädische Behinderungen hinzu. Besonders zu berüchtigten seien seine bereits seit 1998 bekannten Probleme mit dem Verdauungstrakt. Erst kürzlich sei es dazu gekommen, dass er mitten auf dem Parkplatz seine Notdurft habe verrichten müssen.
Die Beklagte erhielt eine ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. I mit Arztbriefen der chirurgischen Klinik des T2 Krankenhauses (9/2016,12/2016,1/2017), der Radiologen Dr. I1 (6/2009) und Dr. H (7/2010), des Neurologen und Psychiaters Dr. I2 (10/2009, 10/2010) und einem augenfachärztlichen Untersuchungsbogen (8/2016). Die Beklagte holte einen Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Dr. C mit einem radiologischen Arztbrief des Dr. F (8/2017) ein.
Versorgungsärztlich wurde vermerkt, es seien keine aktuellen klinisch – körperlichen Untersuchungsbefunde vorgelegt worden, die das Merkzeichen aG begründen könnten.
Mit Bescheid vom 07.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2018 lehnte die Beklagte den Antrag ab.
Am 30.04.2018 meldete der Kläger sich bei der Beklagten nach einem Krankenhausaufenthalt und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Beklagte habe sich nicht ausreichend mit dem Gesundheitszustand auseinandergesetzt. Bereits in frühen Jahren sei eine Lungenerkrankung festgestellt worden, er leide bereits nach 10 m Fußweg zum Auto an Luftnot. Zudem sei eine Verschlechterung seiner neurologischen Situation festgestellt worden. Er fügte einen Arztbrief des Pulmologen Dr. W (4/2018) und einen Bericht des S Klinikums (3/2018) bei.
Nach der Mitteilung der Beklagten, dass die Angelegenheit mit dem letzten Widerspruch abschließend bearbeitet worden sei und dem Verweis auf einen Änderungsantrag, stellte der Kläger am 09.05.2018 erneut einen entsprechenden Antrag
In einer versorgungsärztlichen gutachterlichen Stellungnahme wurden die bereits zuvor erkannten Gesundheitsstörungen einer Hörminderung, Mittelohrentzündungen (Einzel – GdB 50) einer Hirnleistungsbeeinträchtigung, Bluthochdruck (Einzel – GdB 40), einer Sehminderung beidseits (Einzel – GdB 30), einer Zuckerkrankheit, einer Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule, einer Funktionsbeeinträchtigung der Verdauungsorgane (jeweils Einzel – GdB 20) und einer chronischen Bronchitis (Einzel – GdB 10) zusammengefasst. Ein bakterieller Infekt der Atemwege habe sich im stationären Aufenthalt nach Antibiose gebessert. Die nachfolgend durchgeführte Lungenuntersuchung habe eine normale Sauerstoffsättigung und einen gut normalen Co2 – Wert ergeben, so dass, wie auch vom Facharzt dokumentiert, die mitarbeitsabhängigen Werte nicht berücksichtigt werden könnten. Eine außergewöhnliche Gehbehinderung sei weiterhin nicht zu erkennen.
Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 29.05.2018 ab. Hiergegen legte der Kläger am 08.06.2018 Widerspruch ein. Die Beklagte ignoriere d...