Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Wirksamkeit eines Zulassungsverzichts
Orientierungssatz
1. Der Verzicht des Vertragsarztes auf seine Zulassung gegenüber dem Zulassungsausschuss stellt eine einseitige empfangsbedürftige und rechtsgestaltende Willenserklärung dar. Mit dem Zugang dieser Erklärung tritt die Rechtsfolge des Verzichts unabhängig von einer Nachfrage bei dem Zulassungsausschuss ein.
2. Der wirksam erklärte Verzicht des Arztes auf seine Zulassung kann nur unter den Voraussetzungen des § 130 Abs 1 S 2, Abs 3 BGB widerrufen werden. § 46 Abs 1 Halbs 2 SGB 1 findet keine Anwendung.
3. Eine wirksame Anfechtung der Verzichtserklärung, die unter den Voraussetzungen der §§ 119, 120, 123 BGB grundsätzlich möglich ist, scheidet aus.
4. Aufgrund eines wirksam erklärten Verzichts tritt das Ende der Zulassung nach § 28 Abs 1 S 1 Ärzte-ZV kraft Gesetzes ein. Einem etwaigen Beschluss des Zulassungsausschusses kommt deshalb lediglich deklaratorische Wirkung zu.
Tenor
Der Beschluss des Beklagten vom 09.01.2013 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird endgültig auf 60.000,- Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der am 00.00.0000 geborene Beigeladene zu 6) war als Facharzt für Laboratoriumsmedizin für den Vertragsarztsitz G-Allee 1 in 00000 B zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Schreiben vom 27.08.2012 (eingegangen am 28.08.2012) teilte er der Bezirks-stelle der Klägerin Folgendes mit:
"Betr.: Beendigung der Laborarztpraxis zum 02.01.2013
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit teile ich Ihnen mit, dass ich meine Laborpraxis in der G-Allee 1, 00000 B, KV-Nr. 000000000 zum 02.01.2013 schließe. Zu diesem Termin verzichte ich ebenfalls auf die Zulassung."
Durch Beschluss vom 19.09.2012 (abgesandt am 08.11.2012) stellte der Zulassungsausschuss für Ärzte L fest, die Zulassung des Beigeladenen zu 6) ende mit Ablauf des 31.12.2012. Hiergegen legte der Beigeladene zu 6) am 19.11.2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, wie er bereits mit Schreiben vom 26.10.2012 mitgeteilt habe, sei es ihm bisher nicht möglich gewesen, einen Nachfolger für seine Laborpraxis in der G-Allee 1 in 00000 B zu finden. Er sehe sich deshalb gezwungen, die Praxis über den 02.01.2013 hinaus zu betreiben. Auf die damit verbundene Zulassung könne er ebenfalls nicht verzichten. Nachdem der Beigeladene zu 6) dem Beklagten sein Schreiben vom 26.10.2012 am 02.01.2013 zugesandt hatte, hob der Beklagte mit Beschluss vom 09.01.2013 den Beschluss des Zulassungsausschusses auf. Zur Begründung führte er aus, es könne dahin stehen, ob es sich bei dem Schreiben des Beigeladenen zu 6) vom 27.08.2012 um eine unbedingte Verzichtserklärung handele. Denn es habe sich die Nachfrage aufdrängen müssen, ob eine Veräußerung der Praxis möglich sei und deshalb eine Verzichtserklärung mit einer aufschiebenden Bedingung in Betracht kam. Überdies habe der Beigeladene zu 6) nach seiner unwiderlegt gebliebenen schriftlichen Darstellung unter dem 26.10.2012 mitgeteilt, er könne nicht auf seine Zulassung verzichten, weil noch kein Nachfolger gefunden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei der Beschluss des Zulassungsausschusses noch nicht wirksam gewesen, weil er erst am 08.11.2012 zu Post gegeben worden sei. Der Zulassungsausschuss habe sich erneut mit der Sache befassen müssen, weil das Schreiben des Beigeladenen zu 6) als Widerruf der Verzichtserklärung zu werten sei. Jedenfalls bis zum Abschluss des Verfahrens vor dem Widerspruchsauschuss sei ein Widerruf als zulässig zu erachten, zumal im vorliegenden Fall nur die Interessen des Vertragsarztes betroffen seien.
Gegen den Beschluss des Beklagten richtet sich die am 15.02.2013 erhobene Klage.
Am 29.04.2013 hat sich der Beigeladene zu 6) an das Gericht gewandt und Eilrechtsschutz begehrt. Mit Beschluss vom 05.07.2014 hat die Kammer den Antrag, die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Beklagten vom 09.01.2013 anzuordnen, abgelehnt (Az. S 7 KA 6/13 ER).
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 09.01.2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladenen zu 1) bis 6) stellen keinen eigenen Antrag.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte, auf die beigezogene Streitakte des Verfahrens S 7 KA 6/13 ER sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten ver-wiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte trotz Abwesenheit von Vertretern der Beigeladenen zu 1) bis 5) und trotz Abwesenheit des Beigeladenen zu 6) aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, weil die Beigeladenen zu 1) bis 6) in der schriftlichen Terminsladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind, §§ 110 Abs. 1 Satz 2, 124 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin klagebefugt. Denn aufgrund ihrer Aufgabe zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ist sie zur Anfechtung von ...