Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. Zweipersonenhaushalt im Saale-Holzland-Kreis in Thüringen. keine grundsätzliche Erhöhung der Wohnflächengrenze bei Alleinerziehung eines minderjährigen Kindes. fehlendes schlüssiges Konzept. Anwendung der Wohngeldtabelle mit Sicherheitszuschlag. unrichtige Referenzmiete in Kostensenkungsaufforderung. keine Unmöglichkeit der Kostensenkung

 

Leitsatz (amtlich)

Aus der im Freistaat Thüringen als Ausführungsbestimmung nach § 10 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) heranzuziehenden Verwaltungsvorschrift zum Vollzug der Bindungen geförderter Wohnungen (Thüringer Staatsanzeiger 2004, S 1669) in der Fassung der Änderung vom 7.11.2008 (Thüringer Staatsanzeiger 2008, S 1901) ist auch unter Beachtung der Ziffer 5.18.4 nicht abzuleiten, dass sich für Alleinerziehende mit Kindern ab vollendetem sechsten Lebensjahr der angemessene Wohnraumbedarf regelmäßig um 15 m2 erhöht.

 

Orientierungssatz

1. Zur Rechtswidrigkeit der vom Grundsicherungsträger im Saale-Holzland-Kreis gem § 22 SGB 2 festgesetzten Angemessenheitsgrenzen für die Unterkunftskosten in den Jahren 2008 und 2009 mangels ausreichender Feststellungen zum räumlichen Vergleichsbereich und mangels schlüssigen Konzeptes des Grundsicherungsträgers und Anwendung der Werte der Wohngeldtabelle unter einem Abschlag von 10 %.

2. Stehen bei Nichtvorlage eines schlüssigen Konzeptes dem Gericht keine Erkenntnismöglichkeiten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen gem § 22 SGB 2 mehr zur Verfügung, so sind zwar grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft zu übernehmen, allerdings begrenzt durch den heranzuziehenden Höchstbetrag des Wertes in der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 %. Dies gilt auch, wenn in der Kostensenkungsaufforderung nach § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 fehlerhafte Angemessenheitsgrenzen vom Grundsicherungsträger genannt wurden. Die fehlerhafte Angabe zur Höhe der Referenzmiete führt nur dann zur subjektiven Unmöglichkeit der Kostensenkung, wenn dadurch bewirkt wird, dass der Hilfebedürftige seine Suche auf Grund der unzutreffenden Angabe in wesentlichem Umfang beschränkt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.04.2013; Aktenzeichen B 14 AS 28/12 R)

 

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 29.07.2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 17.09.2008 und 06.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2009 (W 1306/09) wird abgeändert und der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft für Oktober 2008 in Höhe von 44,37 Euro und für November 2008 in Höhe von 50,50 Euro zu gewähren.

Der Bescheid des Beklagten vom 24.03.2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 31.03.2009, 06.06.2009 und 14.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2009 (W 754/09) wird abgeändert und der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger im Zeitraum 01.08.2009 bis 30.09.2009 weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft in Höhe von 74,- Euro monatlich zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu ¾ zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten vorliegend über die Höhe der vom Beklagten zu übernehmenden Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) im Zeitraum Oktober bis November 2008 und August bis September 2009.

Die ... 1982 geborene Klägerin zu 1) und ihr ... 2002 geborener Sohn, der Kläger zu 2) bilden eine Bedarfsgemeinschaft. Der Kläger zu 2) ist schwerbehindert mit einem GdB von 100 mit den Merkzeichen G, H, RF und Gl. Die Kläger bewohnten im streitigen Zeitraum eine 2,5-Zimmer-Wohnung in der F... -L... -Straße in K... mit einer Wohnfläche von 60,99 m2. Hierfür fielen eine Grundmiete von 322,- Euro und ab dem 01.11.2005 Nebenkosten von 155,- Euro an, einschließlich sonstiger Nebenkosten in Höhe von 22,- Euro und einem Energieservice von 133,- Euro (im Energieservice enthalten waren Warmwasser- und Heizkosten sowie Kaltwasserkosten; nach der Betriebskostenabrechnung für 2007 betrug der Anteil für Kaltwasser hierbei ca. 40 % [Bl. 557 VA]), insgesamt also bis 31.10.2008 monatlich 477,- Euro. Ab dem 01.11.2008 stiegen die Nebenkostenvorauszahlungen auf monatlich 175,- Euro, einschließlich 22,- Euro sonstige Nebenkosten und 153,- Energieservice, insgesamt 497,- Euro. Die Heizung wurde mit Gas betrieben, die gesamte beheizte Wohnfläche des Hauses betrug 710,16 m2. Den ersten Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) stellten die Kläger im Oktober 2005. Mit Bescheid vom 20.02.2006 bewilligte der Beklagten den Klägern Leistungen für den Zeitraum Oktober 2005 bis März 2006. Dem Bescheid beigefügt war eine Anlage mit einer “Belehrung über Rechtsfolgen im Falle unangemessener Aufwendungen für Unterkunft und/oder Heizung". Darin teilte der Beklagte mit, dass den Klägern grundsätzlich Wohn...

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