Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Arbeitslosengeld II. Verletzung von Pflichten aus Eingliederungsvereinbarungen. Ablauf der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 31b Abs 1 S 5 SGB 2 für die Feststellung einer Sanktion aufgrund der Verletzung von Pflichten aus früheren Eingliederungsvereinbarungen. keine Sanktionierung nach der aktuellen Eingliederungsvereinbarung bei fehlender Fristangabe bzw fehlendem Fristablauf für die Pflichterfüllung
Leitsatz (amtlich)
Keine Sanktionierung vor Eintritt einer Pflichtverletzung.
Tenor
I. Der Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. April 2016 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen den eine Minderung seins Arbeitslosengeldes II um 30% vom 1. April bis zum 30. Juni 2016.
Der 1985 geborene Kläger ist seit Längerem im Leistungsbezug beim beklagten Jobcenter. Mit Bescheid vom 3. Dezember 2015 wurden ihm laufende Leistungen zum Lebensunterhalt für den Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2016 in Höhe von monatlich 743,24 EUR bewilligt.
Mit Eingliederungsvereinbarungen (EGVen) vom 23. Oktober 2014 (gültig bis 2. Mai 2014) und vom 19. Februar 2015 (gültig bis 18. Juli 2015) war unter anderem vereinbart worden, dass der Kläger an einer Maßnahme zur beruflichen Orientierung, genannt "Manufaktur der schönen Dinge", teilnimmt. Im Juli 2015 wurde auf Veranlassung des Beklagten auch eine psychologische Begutachtung des Klägers durch den Ärztlichen Dienst vorgenommen. Nach dem Gutachten vom 22. Juli 2015 war der Kläger psychisch ausreichend belastbar und könne die angebotenen Optionen durchführen. Eine sehr niedrigschwellige Aktivierungsmaßnahme sei möglich.
Unter dem 22. Januar 2016 wurde eine neue EGV vom Beklagten erstellt (gültig bis 18. Juli 2016), welche der Kläger am 2. Februar 2016 unterschrieb. Diese EGV sah erneut vor, dass der Kläger an der Maßnahme "Manufaktur der schönen Dinge" teilnimmt, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung beim Zustellservice oder aufnimmt oder die AGH-Stelle bei der Caritas antritt. Dem Kläger wurde in diesem Rahmen offenbar auch ein Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein, gültig vom 22. Januar bis zum 29. Februar 2016, ausgehändigt über eine Maßnahme von maximal sechs Monaten Dauer, täglich von 8 bis 12 Uhr.
Zugleich mit der Übermittlung der neuen EGV wurde der Kläger zu einer möglichen Sanktion angehört, weil er sich weigere, eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit aufzunehmen. Der Kläger verwies in der Antwort zur Anhörung auf Depressionen mit Schlaflosigkeit, Albträumen und Unruhe.
Mit Bescheid vom 24. Februar 2016 stellte der Beklagte eine Minderung des Arbeitslosengeldes II des Klägers vom 1. April bis zum 30. Juni 2016 fest. Dem Kläger seien mehrfach die Teilnahme an der Maßnahme "Manufaktur der schönen Dinge" und andere Möglichkeiten zur niedrigschwelligen Eingliederung in Arbeit angeboten worden. Die Teilnahme an der "Manufaktur der schönen Dinge" sei auch zumutbar gewesen. Trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen habe der Kläger sich geweigert, diese Maßnahme aufzunehmen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2016 zurückgewiesen.
Dagegen hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 19. Mai 2016 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Der Kläger habe wegen seiner psychischen Beeinträchtigung die in den EGVen genannten Aktivitäten nicht wahrnehmen können. Er befinde sich seit Jahren in ärztlicher Behandlung, die Beurteilung im psychologischen Gutachten sei unzutreffend. Zudem habe der Kläger Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt, um seinen Gesundheitszustand nachzuweisen. Außerdem sei die Rechtsfolgenbelehrung fehlerhaft gewesen. Später ist noch ergänzt worden, der Kläger habe inzwischen ein Praktikum in einer Klinik vereinbart und seit 9. Mai 2016 (noch bis 14. Oktober 1016) nehme er an dem Lehrgang "Kompaktqualifizierung Werkschutz und Sicherheit" teil.
Der Beklagte hat erwidert, fachärztliche Bescheinigungen seien nie vorgelegt worden. Die vom Beklagten veranlasste psychologische Begutachtung habe ergeben, dass der Kläger an der Maßnahme habe teilnehmen können. Der psychischen Konstitution des Klägers sei ausreichend Rechnung getragen worden. Die Maßnahme sei außerdem niederschwellig und ohne Leistungsdruck, es müssten keine Ergebnisse produziert werden. Die Rechtsfolgenbelehrung sei nicht zu beanstanden.
Für den Kläger wird beantragt:
Der Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. April 2016 wird aufgehoben.
Für den Beklagten wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
Der Kläger hat Anspruch auf Aufhebung der vom Beklagten verfügten Sanktion. Der Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2016 in der Gestalt d...