Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. selbst genutzte Eigentumswohnung. angemessene Größe. Wohnflächengrenze. Angemessenheit der Unterkunftskosten
Orientierungssatz
1. Aus der Formulierung des § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 ergibt sich, dass sich die Angemessenheit einer selbst genutzten Eigentumswohnung allein nach der Größe richtet.
2. Zur Auslegung des Begriffes "angemessene Größe" iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 ist zur Wahrung eines im Rahmen der Massenverwaltung handhabbaren bundeseinheitlichen Maßstabes weiterhin auf die Werte des bis zum 31.12.2001 geltenden § 39 Abs 1 WoBauG 2 zurückzugreifen. Danach galten Familienheime mit einer Wohnfläche bis zu 130 qm und Eigentumswohnungen mit bis zu 120 qm nicht als unangemessen groß.
3. Ist eine selbst genutzte Eigentumswohnung nach diesen Kriterien angemessen iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2, so kann nicht auf eine Darlehensgewährung nach § 9 Abs 4 SGB 2 verwiesen werden.
4. Die Kriterien für die Beurteilung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nach § 22 SGB 2 sind nicht für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 geeignet.
5. Überschreiten die individuellen Unterkunftskosten einer selbst genutzten Eigentumswohnung, zB durch sehr hohe Zinsbelastungen, die Kosten einer angemessenen Mietwohnung, so findet die Vorschrift des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 Anwendung.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Ablehnung (bzw. das Angebot der nur darlehensweisen Gewährung) von Arbeitslosengeld II vom 01.07.2005 bis 31.12.2005.
Die Klägerin, geboren ... 1979, hatte bis 03.11.2004 Arbeitslosengeld bezogen (monatlich 642,76 Euro).
Zum 01.01.2005 beantragte sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II). Dem Antrag wurde für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 in Höhe von 549,50 Euro entsprochen. Dabei waren die Kosten der Heizung und die Nebenkosten der selbst bewohnten Eigentumswohnung mit einer Wohnfläche von 75 qm (3 Zimmer, Küche, Bad) in Höhe von 151,00 Euro monatlich berücksichtigt.
Im Weiteren wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass diese Eigentumswohnung nicht länger als angemessene Eigentumswohnung im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II angesehen werden könne, ab 01.07.2005 nur noch eine darlehensweise Leistungsgewährung in Betracht komme. Die Klägerin schloss daraufhin mit ihrem Vater bezüglich eines Zimmers der Eigentumswohnung zum 01.07.2005 einen Untermietvertrag (15 qm) mit einer Nettomiete von 50,00 Euro.
Der Antrag auf Weiterbewilligung vom 20.05.2005 wurde mit Bescheid vom 03.08.2005 abgelehnt, weil die Klägerin wegen der Eigentumswohnung von nicht angemessener Größe nicht hilfebedürftig sei.
Der Widerspruch vom 16.08.2005 wurde im Weiteren mit Widerspruchsbescheid vom 29.08.2005 zurückgewiesen. Für einen Ein-Personen-Haushalt sei allenfalls eine Wohnfläche von 60 qm angemessen. Bei dem Untermietvertrag mit dem Vater handele es sich um ein nicht berücksichtigungsfähiges Scheingeschäft. Aus der Gesetzessystematik ergebe sich, dass auch kein Fall der besonderen Härte im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II vorliege. Es käme nur die von der Klägerin abgelehnte darlehensweise Leistungsgewährung in Betracht.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 04.10.2005 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2005 zu verurteilen, für die Zeit vom 01.07.2005 bis 03.11.2005 weiterhin monatlich 549,50 Euro Leistungen zu gewähren und dann in der Höhe des verminderten Zuschlages nach § 24 SGB II bis 31.12.2005.
Der Vertreter der Beklagten beantragte im Termin die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Nr. 1 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus zu berücksichtigendem Vermögen sichern kann (§ 9 Abs. 1 SGB II). Ist der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich, sind die Leistungen als Darlehen zu erbringen (§ 9 Abs. 4 SGB II). Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung (§ 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II).
Aus der von § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII abweichenden Formulierung ergibt sich, dass sich die Angemessenheit allein nach der Größe richtet (Brühl in LBK-SGB II § 12 Rdnr 43, Mecke in Eicher/Spellbrink, Kommen...