Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung des Unmittelbarkeitsbegriffes in § 20 Nr 3 SGB 6
Leitsatz (amtlich)
Das Tatbestandsmerkmal des unmittelbaren Leistungsbezugs vor Beginn der Maßnahme iSd § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI erfordert keinen nahtlosen Übergang.
Tenor
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 24. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2015 verurteilt, an den Kläger Übergangsgeld für die Zeit der Rehabilitationsleistung vom 4. Februar 2015 bis zum 11. März 2015 zu leisten.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Klägers in vollem Umfang.
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf die Gewährung von Übergangsgeld während der vom 04.02.2015 bis 11.03.2015 durchgeführten Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation.
Mit Bescheid der Arbeitsagentur für Arbeit vom A-Stadt vom 11.02.2014 wurde den am 1968 geborenen Kläger in dem Zeitraum vom 01.02.2014 bis 30.01.2015 Arbeitslosengeld I bewilligt.
Auf Antrag des Klägers vom 06.11.2014 hin gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 25.11.2014 eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation.
Der Kläger wurde am 04.02.2015 in der Einrichtung B. -Klinik aufgenommen und am 11.03.2015 entlassen.
Im Bescheid vom 24.02.2015 lehnte die Beklagte den Anspruch auf Übergangsgeld für die Dauer der gewährten Maßnahme in dieser Einrichtung ab, da der Kläger nicht bis unmittelbar vor Beginn der Leistung zur medizinischen Rehabilitation eine der aufgeführten Sozialleistungen bezogen habe.
Hiergegen legte der Kläger am 20.03.2015 Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass die Beklagte ihn nicht darauf hingewiesen habe, dass bei einem Beginn der Maßnahme im Februar 2015 der Übergangsgeldanspruch ausgeschlossen sei. Im Weiteren bezieht sich der Kläger auf einen Auszug aus der rechtlichen Arbeitsanweisung der Beklagten zu § 24 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) "R 3 Unmittelbarkeit". Weiterhin sei aufgrund des zwischen dem Ende des Arbeitslosengeldes liegenden Wochenendes und den üblichen Klinik-Aufnahmetagen eine frühere Aufnahme als am Dienstag nicht möglich gewesen. Schließlich habe der Kläger die lange Verfahrensdauer, die letztendlich zum Beginn der Reha-Maßnahme wenige Tage nach Auslaufen des Arbeitslosengeld-I-Bezuges geführt habe, nicht zu verschulden.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 24.06.2015 zurück mit der Begründung, dass die Verhältnisse am 03.02.2014 maßgeblich seien, da keine Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe. Arbeitslosengeld I oder Krankengeld als Entgeltersatzleistungen habe der Kläger am 03.02.2014 nicht bezogen.
In der am 16.07.2015 erhobenen Klage hat die Bevollmächtigte des Klägers unter anderem vorgetragen, dass die Auslegung des Unmittelbarkeitsbegriffes der Beklagten grob unbillig sei. Die enge Auslegung müsse korrigiert werden und sei auch nicht verfassungsgemäß.
Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, dass sie die Rechtsansicht vertrete, dass "unmittelbar" einen nahtlosen Übergang bedeute. Festgelegt sei diese Rechtsauffassung im Gemeinsamen Rundschreiben der Rentenversicherungsträger zum Übergangsgeld unter Kapitel II, Abschnitt 2.3 (Stand Dezember 2014). Die dort dargestellten Rechtspositionen beruhten auf Beschlüssen, die für die Beklagte verbindlich seien. Ein Abweichen hiervon sei nicht möglich.
Der Kläger beantragt,
1. Der Bescheid vom 24.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.06.2015 wird aufgehoben.
2. Dem Kläger ist Übergangsgeld für die Zeit der Rehabilitationsleistung vom 04.02.2015 bis zum 11.03.2015 gemäß § 20 SGB VI zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg.
Die form- und fristgerecht erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4, § 56 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, das Sozialgericht Augsburg ist das für die Entscheidung sachlich und örtlich zuständige Gericht (§§ 51 Abs. 1 Nr. 1, 57 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Klage wurde gemäß §§ 87, 90, 92 SGG form- und fristgerecht erhoben.
Die Klage ist auch begründet. Der das Übergangsgeld ablehnende Bescheid vom 24.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.06.2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat einen materiellen Anspruch auf Gewährung des Übergangsgeldes, welcher sich auf § 20 Nr. 3 b SGB VI ergibt. Dieser lautet:
Anspruch auf Übergangsgeld haben Versicherte, die
1. (...)
2. (...)
3. bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder sonstigen Leistungen zur Teilhabe unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der Leistungen
a) (...)
b) Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II oder Mutterschaftsgeld bezogen haben und für die von dem der ...