Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Versicherungspflicht gem § 2 Abs 1 Nr 9 SGB 7. selbstständiger Geistheiler im Gesundheitswesen. Praxis für energetische Körperarbeit

 

Orientierungssatz

Geistheiler sind als im Gesundheitswesen tätige Personen gem § 2 Abs 1 Nr 9 SGB 7 in der gesetzlichen Unfallversicherung kraft Gesetzes versichert und damit beitragspflichtig.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.06.2018; Aktenzeichen B 2 U 9/17 R)

 

Tenor

I. Die Klage gegen die Bescheide vom 14. Februar 2013 und 24. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2013 wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin mit ihrer Praxis für energetische Körperarbeit dem Regime der gesetzlichen Unfallversicherung unterworfen ist und Beiträge an die Beklagte abzuführen hat.

Die am 1942 geborene Klägerin betreibt seit 01.05.2002 selbständig eine Praxis für energetische Körperarbeit. Laut ihrer Internetpräsenz (www.) bietet sie in ihrer Praxis eine Reconnective Therapy nach Herwig Schön, russische Heilweisen nach Gregori Grabovoi und Arkady Petrov, Total Touch Pulsing nach Bianca Telle, Qi Gong und eine Fernsitzung bzw. Geistheilung an. Ihre Übungen, Methoden und Ratschläge sollen der Aktivierung der Selbstheilungskräfte entsprechend den Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Alternative Medizin und des Dachverbandes Geistiges Heilen dienen. Ihre Behandlungen ersetzten keinen Besuch beim Arzt oder Heilpraktiker. Die Klägerin gebe kein Heilversprechen ab und stelle keine Diagnosen.

Mit den Bescheiden vom 14.02.2013 stellte die Beklagte ihre Zuständigkeit für das Unternehmen der Klägerin ab 01.012008 fest und veranlagte es in der Gefahrtarifstelle 6, Strukturschlüssel 0162, Alternative Heilmethoden, Gefahrklasse 3,30 (im Zeitraum vom 01.01.2007 bis 31.12.2012) bzw. 3,74 (im Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2018). Für die Unternehmerversicherung erhob sie für die Beitragsjahre 2008 bis 2011 Beiträge in Höhe von 126,52 €, 134,18 €, 136,06 € und 137,31 €.

Im nachfolgenden Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, sie erhalte seit Juli 2002 eine Altersrente und sei daher nicht mehr beruflich tätig. Sie beschäftige keine weiteren Mitarbeiter. Ihre Bilanzen wiesen einen jährlichen Überschuss von durchschnittlich 1.400 € aus. Der erhobene Beitrag der Beklagten sei in Anbetracht der Gewinne unverhältnismäßig. Es bestehe eine persönliche private Berufshaftpflichtversicherung. Ihre gelegentliche Tätigkeit habe in der Vergangenheit und werde auch in der Zukunft keine Leistungsfälle hervorrufen.

Mit Bescheid vom 24.04.2013 erhob die Beklagte noch einen Beitrag in Höhe von 137,94 € für das Beitragsjahr 2012. Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.2013 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Die Klägerin sei als selbständig Tätige auf dem Gebiet des Gesundheitswesens pflichtversichert. Der Gesetzgeber habe nicht nur die unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen und/oder in der Wohlfahrtspflege tätigen Personen unter Unfallversicherungsschutz gestellt, sondern auch die auf diesem Gebiet selbständig Tätigen in den Versicherungsschutz einbezogen, weil er diese Personengruppen für besonders schutzwürdig erachtet habe. Unbeachtlich sei hierbei, ob die selbständige Tätigkeit haupt- oder nebenberuflich ausgeübt werde. Die im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege tätigen Personen würden im Interesse der Allgemeinheit tätig und sollten deshalb umfassend gegen die mit ihrer Tätigkeit verbundenen Risiken geschützt sein. Einen derartigen Schutzaspekt habe der Gesetzgeber für die Unternehmer der meisten Branchen nicht gesehen. Deshalb gebe es nicht bei jeder Berufsgenossenschaft eine gesetzliche Pflichtversicherung für die Unternehmer. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) handele es sich dann um Unternehmen des Gesundheitswesens, wenn deren Hauptzweck auf die Beseitigung oder Besserung eines krankhaften Zustandes oder die Pflege pflegebedürftiger Menschen oder den vorbeugenden Gesundheitsschutz vor unmittelbar drohenden Gesundheitsschäden gerichtet sei. Dabei müsse die Wahrung der Gesundheit den Schwerpunkt bilden. Es genüge nicht, dass ein gesundheitsfördernder oder krankheitsverhütender Erfolg als eine zwar bedeutsame, aber nur nebenbei erzielte, Begleiterscheinung bewirkt werde. Der Begriff des Gesundheitswesens im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung decke sich dabei nicht mit den gewerberechtlich definierten Berufsbildern oder den vom Gesundheitsamt zu beaufsichtigenden anerkannten Berufen im Gesundheitswesen. In Anbetracht des vom Gesetzgeber beabsichtigten Schutzaspekts sei hier der Begriff des Gesundheitswesens weiter auszulegen und beschränke sich nicht auf bestimmte Berufsbilder. Die Klägerin biete nach verschiedenen Aus- und Weiterbildungen im Bereich der alternativen Heilmethoden (u.a....

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