Entscheidungsstichwort (Thema)
Interessenabwägung beim Sofortvollzug eines Aufhebungsbescheides über bewilligte Sozialhilfeleistungen
Orientierungssatz
1. Bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 SGG ist dem privaten Aussetzungsinteresse des Betroffenen das öffentliche Vollzugsinteresse gegenüberzustellen. Je geringer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso gewichtiger müssen die sonstigen, gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände sein.
2. Sog. Kick-Back-Zahlungen, dem Hilfebedürftigen für vom Pflegedienst nicht erbrachte Leistungen ausgezahlt, sind nach § 82 Abs. 1 SGB 12 als Einkommen auf die Grundsicherungsleistungen anzurechnen. Der Antragsteller ist zu entsprechenden Angaben verpflichtet. Er kann sich gemäß § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB 10 nicht auf Vertrauen berufen, wenn er dies unterlässt.
3. In einem solchen Fall steht die sofortige Vollziehung des Aufhebungsbescheides durch den Sozialhilfeträger im öffentlichen Interesse. Ohne den Sofortvollzug wäre die Realisierung der Erstattungsforderung aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Hilfebedürftigen ernsthaft gefährdet.
Tenor
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 19. August 2016 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. August 2016 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der am 2. September 2016 beim Sozialgericht Berlin sinngemäß gestellten Antrag der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 19. August 2016 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. August 2016 anzuordnen,
hatte keinen Erfolg.
Der Antrag ist als Antrag nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG zulässig aber unbegründet. Nach dieser Vorschrift können die Gerichte auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der Widerspruch der Antragstellerin vom 19. August 2016 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. August 2016 hat gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG keine aufschiebende Wirkung, da der Antragsgegner die sofortige Vollziehung in dem Bescheid angeordnet hat.
Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG ist begründet, wenn 1.) die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtswidrig ist oder 2.) das private Interesse des Anfechtenden, den Vollzug des angefochtenen Bescheides bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen (privates Aussetzungsinteresse), gegenüber dem öffentlichen Interesse an dessen Sofortvollzug (öffentliches Vollzugsinteresse) überwiegt. Keine dieser Voraussetzungen ist hier erfüllt.
Zunächst begegnet die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Antragsgegner in dem Bescheid vom 4. August 2016 keinen formellen Bedenken. Der Antragsgegner, vertreten durch das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, ist als Erlassbehörde des Verwaltungsaktes gem. § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zuständig für die Anordnung des Sofortvollzugs. Der Antragsgegner hat ferner auf den Seiten 6 ff. des Bescheides das besondere Interesse an dem Sofortvollzug auch im Sinne des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG ausführlich schriftlich begründet.
Darüber hinaus überwiegt bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen auch das Interesse des Antragsgegners an einer sofortigen Vollziehung des Bescheides. Die nötige Abwägung zwischen dem privaten Aussetzungsinteresse und dem öffentlichen Vollzugsinteresse hat sich an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, weil am Vollzug eines rechtswidrigen Bescheides in der Regel kein öffentliches Interesse bestehen kann. Bei einem rechtmäßigen Bescheid kann die sofortige Vollziehbarkeit dagegen im öffentlichen Interesse geboten sein. Anders als in den Fällen, in denen das Gesetz die sofortige Vollziehung anordnet (86a Abs. 2 Nr. 1-4 SGG), ist aber im Falle der Anordnung durch die Behörde (§ 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG) ein überwiegendes öffentliches Interesse konkret festzustellen, da das Gesetz im Grundsatz von einer aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ausgeht (§ 86a Abs. 1 S. 1 SGG). Es sind alle Umstände des Einzelfalls, die für und gegen die sofortige Vollziehbarkeit sprechen, gegeneinander abzuwägen, insbesondere das besondere Vollzugsinteresse im Einzelfall, der Umfang der drohenden Rechtsbeeinträchtigung und die Folgen, die der Sofortvollzug eines rechtswidrigen Bescheides einerseits und das Aussetzen des Sofortvollzugs eines rechtmäßigen Bescheides andererseits mit sich bringen würde. Je geringer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso gewichtiger müssen die sonstigen, gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände sein (vgl. etwa Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b, Rn. 12d ff.).
Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. August 2016 ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig.
Die Aufhebungsentscheidung kann auf § 45 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 und S. 3 Nr. 2 SGB X gestützt werden. Diese Vorschrift regelt die Rücknahme rechtswidriger Verwaltun...