Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des SG Berlin vom 24.9.2007 - S 15 R 1830/07, das vollständig dokumentiert ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Anspruchs des Klägers auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Dem am 04.04.1953 geborenen Kläger bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 20.04.2007 ab dem 01.09.2006 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von 345,49 Euro (nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen), längstens zahlbar bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres. Dabei legte die Beklagte zur Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte einen Zugangsfaktor von 0,892 zu Grunde und begründete dies damit, dass sich der Zugangsfaktor für jeden Kalendermonat nach dem 30.04.2013 bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres um 0,003 vermindern würde. Danach betrage die Verminderung für 36 Kalendermonate 0,108. Angesichts der Summe aller Entgeltpunkte von 33,1223 würden daher die persönlichen Entgeltpunkte 29,5451 betragen (siehe Anlage 6 des Rentenbescheids vom 20.04.2007).
Mit seinem Widerspruch vom 23.02.2007 begehrte der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 16.05.2006, Az. B 4 R 22/05 R, die Anwendung eines Zugangsfaktors von 1,0.
Durch Bescheid vom 11.07.2007 berechnete die Beklagte die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.09.2006 neu, wobei sich aufgrund der Rentenanpassung ab dem 01.07.2007 eine Rentenhöhe von 347,32 Euro (nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen). Im Hinblick auf den Zugangsfaktor sowie die Höhe der persönlichen Entgeltpunkte verblieb es bei der Regelung des Bescheides 20.04.2007.
Unter dem 29.08.2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid zurück. Gemäß der Regelung des § 77 Abs. 2 SGB VI sei bei Renten wegen Erwerbsminderung, welche vor Vollendung des 63. Lebensjahres des Versicherten beginnen würden, stets der Zugangsfaktor zu vermindern. Dies entspreche der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten. Der Entscheidung des BSG vom 16.05.2006 werde nicht gefolgt. Dagegen spreche sowohl die Intention des Gesetzgebers bei Einführung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, mit dem mit einer Übergangszeit vom 01.01.2001 bis 31.12.2003 die Abschläge für die vorzeitige Inanspruchnahme von Erwerbsminderungsrenten eingeführt worden sei, als auch die Verlängerung des Zugangsfaktors nach § 59 SGB VI durch das gleiche Gesetz. Durch letztere würden die hinzunehmenden Rentenkürzungen kompensiert.
Mit seiner Klage vom 20.09.2007 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er bezieht sich auf das Urteil des BSG vom 16. Mai 2006. Diese Entscheidung sei rechtskräftig; ihr habe sich auch das LSG Berlin-Brandenburg angeschlossen (Urteil vom 09.02.2007, Az. L 7 RJ 40/06). Es bestehe keine Veranlassung, von der Rechtsprechung des BSG abzuweichen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 20. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2007 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 01. September 2006 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf der Grundlage von 33,1223 persönlichen Entgeltpunkten zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte wiederholt ihre Begründungen aus dem angegriffenen Bescheid und Widerspruchsbescheid und führt ergänzend aus, dass der vom BSG im Urteil vom 16.05.2006 vorgenommenen Auslegung auch aus gesetzessystematischen Gründen nicht gefolgt werden könne. So führe diese Auslegung dazu, dass der Gesetzgeber eine bereits getroffene Regelung (§ 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI) im nächsten Satz der Vorschrift (Satz 3) nochmals klarstellend wiederholt. Die von der Beklagten vertretene Auslegung der Norm hingegen, wonach § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI eine Ergänzung zu § 77 Abs. 3 sei, erfülle die Norm mit Inhalt und sei vorzugswürdig. Zudem sei die Formulierung des § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI überflüssig, wenn die gesetzgeberische Intention tatsächlich, wie vom BSG angenommen, darin bestanden hätte, den Begriff "vorzeitig" für die Inanspruchnahme von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf den Zeitraum des Rentenbezugs ab vollendetem 60. Lebensjahr zu beschränken. Letztlich werde das Urteil des 4. Senats der Gesetzgebungsgeschichte nicht gerecht. Entgegen der Auffassung des BSG werde an zahlreichen Stellen des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 deutlich, dass der Gesetzgeber auch Abschläge vom Zugangsfaktor 1,0 für Zeiten des Bezuges von Erwerbsminderungsrenten vor Vollendung des 60. Lebensjahres habe einführen wollen. So werde an zahlreichen Stellen in den Gesetzgebungsmaterialien konkret beziffert, wie stark sich die Einbuße durch die Abschläge durch die verlängerte Zurechnungszeit per saldo vermindere. Eine differenzierte ...