Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. Bedarfsgemeinschaft von einem Elternteil mit im Wechselmodell betreuten Kindern. volle Anrechnung des Kindergeldes auf den Bedarf des Kindes bei alleinigem Bezug des Elternteils. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. eigener, anteiliger Bedarf des Kindes. Mehrbedarf bei Alleinerziehung. hälftiger Mehrbedarf für Umgangselternteil. Bedarfsermittlung nach dem allegro-Programm

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Wechselmodell steht den hilfebedürftigen Umgangskindern ein eigener, anteiliger KdU-Bedarf zu.

2. Kindergeld ist in der Eltern-Kind-BG voll auf den Bedarf des Kindes anzurechnen, deren Elternteil das Kindergeld bezieht, ohne es teilweise an den anderen Elternteil weiterzugeben.

3. Hält sich ein Kind über 7 und ein Kind unter 7 Jahre abwechselnd bei einem Umgangs-Elternteil auf, wird der Mehrbedarf für Alleinerziehung nach der Formel [(12% vom Eltern-Regelbedarf + 36 % vom Eltern-Regelbedarf) : 2] ermittelt.

4. Eine anteilige Bedarfsermittlung nach dem allegro-Programm entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben zur Bedarfsberechnung.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 14.9.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2015 verurteilt,

-

der Klägerin zu 2) für September 2015 weitere 210,68 €, für Oktober 2015 weitere 160,33 €, für November 2015 weitere 127,67 €, für Dezember 2015 weitere 137,43 €, für Januar 2016 weitere 168,17 € und für Februar 2016 weitere 151,45 €

-

dem Kläger zu 3) für September 2015 weitere 133,64 €, für Oktober 2015 weitere 162,61 €, für November 2015 weitere 127,67 €, für Dezember 2015 weitere 161,80 €, für Januar 2016 weitere 136,29 € und für Februar 2016 weitere 149,86 €

zu gewähren.

Der Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten der Kläger.

 

Tatbestand

Streitig ist die Berechnung der Leistungsansprüche in einer Bedarfsgemeinschaft mit Kindern, die im Wechselmodell betreut und erzogen werden.

Die Klägerin zu 1) absolvierte 2015/2016 eine Ausbildung und erhielt vom Beklagten ergänzend zum BAföG einen Mietzuschuss nach § 27 Abs. 3 SGB II in der bis zum 31.7.2016 geltenden Fassung sowie einen Mehrbedarf für Alleinerziehung.

Sie lebte in einer Wohnung, für die monatlich 637,48 € Miete zu zahlen war.

Mit ihrem getrennt lebenden Ehemann praktizierte die Klägerin ein Wechselmodell dergestalt, dass jeweils eines der beiden Kinder - E., geb. … 2008 (Klägerin zu 2)) und T., geb. … 2013 (Kläger zu 3)) - abwechselnd beim Vater und bei der Mutter lebten.

Das Kindergeld für beide Kinder bezieht die Klägerin zu 1).

Für die Dauer des Aufenthalts bei der Klägerin zu 1) erhielten die Kinder Leistungen nach dem SGB II, die nach dem Rechenprogramm des Beklagten anteilig nach der Zahl der Aufenthaltstage berechnet werden, was sowohl den Regelbedarf als auch die Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) betrifft. Weil auch das Kindergeld anteilig angerechnet wird, bleiben in diesem Programm als Bedarf für die Kinder nur KdU-Leistungen übrig.

Bedingt durch Auf- und Abrundungen entstehen monatweise unterschiedliche KdU-Bedarfe mit einem dementsprechend wechselnden Mietzuschuss für die Klägerin zu 1).

Für den Zeitraum September 2015 bis Februar 2016 bewilligte der Beklagte nach einer von der Klägerin zu 1) erstellten Liste der Aufenthaltstage Leistungen an die Kläger zu 2) und 3) mit Bescheid vom 14.9.2015. Der korrespondierende Mietzuschuss war für die Monate September und Oktober 2015 ebenfalls mit Bescheid vom 14.9.2015 bewilligt worden.

Mit Widerspruch “gegen den Bewilligungsbescheid vom 14.9.2015„ beanstandete die Klägerin zu 1) den fehlenden Mehrbedarf für Alleinerziehung und die unverständliche Anrechnung von Kindergeld in Höhe von 805 €.

Mit Bescheiden vom 4.11.2015 bewilligte der Beklagte einen Mietzuschuss und den Alleinerziehungs-Mehrbedarf für die Monate November und Dezember 2015 sowie für Januar und Februar 2016, außerdem den Mehrbedarf für die Monate September und Oktober 2015.

Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.9.2015 verwarf der Beklagte als unzulässig, soweit der fehlende Mehrbedarf gerügt worden war und als unbegründet, was die Anrechnung des Kindergeldes betraf; der Mietzuschuss sei nicht Bestandteil des angefochtenen Bescheides gewesen, das Kindergeld sei nach einer rechenbedingten Hochrechnung auf 805 € nur in der tatsächlichen Höhe von 184 € berücksichtigt worden (Widerspruchsbescheid vom 20.11.2015).

Hiergegen richtet sich die am 10. Dezember 2015 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage auf Zuerkennung der den Klägern gesetzlich zustehenden Leistungen. Bei verständiger Würdigung des Widerspruchs seien beide Bescheide vom 14.9.2015 angefochten worden. Das vom Beklagten verwandte Rechenprogramm liefere unverständliche Ergebnisse, an deren Stelle eines der vom erkennenden Gericht erwogenen Berechnungsmodelle treten müsse.

Die Bevollmächtigte der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, den Klägern unter Abänderung der Bescheide vom 14.9.2015 und ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge