Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz bei Verfolgung oder Festnahme einer Person im Ausland. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. gemischte bzw gespaltene Handlungstendenz
Leitsatz (amtlich)
1. Verfolgt eine Person mit Wohnsitz im Inland im Ausland eine (nach deutschem Rechtsverständnis) einer Straftat verdächtige Person, steht sie hierbei - unabhängig von dem am Ort der Verfolgung geltenden Straf- bzw Strafprozessrecht - gemäß § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst c SGB 7 iVm § 2 Abs 3 S 5 SGB 7 dem Grunde nach unter Unfallversicherungsschutz.
2. Es fehlt jedoch an einer versicherten Verrichtung, wenn das Nacheilen bei gemischter Handlungstendenz außer zum Zweck der Hilfeleistung bei der Strafverfolgung überwiegend aus unversicherten Motiven (hier: Wiedererlangung der entwendeten Brieftasche) heraus erfolgte.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte dem Kläger nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls im Sinne des § 8 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII).
Der im Jahr 1975 geborene Kläger ist beruflich im Bereich der biotechnologischen Forschung tätig und wohnhaft in Berlin. Vom …-… Juli 2009 nahm er an einem Kongress der internationalen Gesellschaft für S…-Forschung in Barcelona, Spanien, teil. Nach Beendigung des Kongresses verbrachte er das anschließende Wochenende mit seiner jetzigen Verlobten, der Zeugin B…, in Barcelona; der Rückflug war für den 14. Juli 2009 gebucht.
An diesem Tag wurde der Kläger jedoch Opfer eines Überfalls, als er in Begleitung der Zeugin nach einem Restaurantbesuch auf dem Rückweg zum Hotel an der Straßenkreuzung …/… von zwei Männern angesprochen wurde, von denen ihm in der Folge einer die Brieftasche entwendete. Im Verlauf des Überfalls stürzte der Kläger und zog sich einen schweren Trümmerbruch des linken Ellenbogens zu. Hinzugekommene spanische Passanten alarmierten die örtliche Polizei, woraufhin eine Motorradstreife wenige Minuten nach der Flucht der Täter erfolglos deren Verfolgung aufnahm.
Der Kläger wurde zunächst im örtlichen Hospital … erstversorgt, flog dann mit der Zeugin wie geplant nach Berlin zurück und wurde nach der Ankunft wegen der erlittenen Verletzung bis zum 30. Juli 2009 stationär behandelt.
Mitte August 2009 zeigte er das Geschehen der Beklagten an, wobei er das in katalanischer Sprache abgefasste Protokoll seiner Vernehmung und seiner Strafanzeige, welche unmittelbar vor seinem Abflug auf dem Flughafen durch die dortige Polizeidienststelle gefertigt worden waren, beifügte.
Nach seiner Darstellung ereignete sich der Überfall am 14. Juli 2009 gegen 0.30 Uhr. Die zwei Täter hätten ihn und die Zeugin zunächst auf der Straße angesprochen; sie hätten versucht, darauf nicht einzugehen, seien aber von einem der Täter verfolgt worden. Dieser sei auf ihn zugekommen, habe ihn bedrängt, schließlich versucht, ihn in den Schwitzkasten zu nehmen und sei dann, als ihm dies misslungen sei nach kurzer Rangelei davongelaufen. Sodann habe der Kläger gemerkt, dass ihm die in der vorderen Hosentasche befindliche Brieftasche, welche im Wesentlichen Bargeld in Höhe von ca. 120,- € sowie Bank-, Kreditkarten und Personaldokumente enthielt, fehle. Daraufhin habe er dem Täter nachgesetzt, um ihn zu ergreifen. Während des Nachsetzens habe ihm dann unvermittelt der zweite Täter, der sich bis dahin im Hintergrund gehalten habe, ein Bein gestellt, was seinen Sturz verursacht habe. Diesen Hergang könne die Zeugin B... bestätigen.
Eine von der Beklagten eingeholte Übersetzung des polizeilichen Vernehmungsprotokolls ergab dagegen, dass der Überfall sich am besagten Tag um 12.30 Uhr ereignet haben solle. Zwei Männer seien auf den Kläger und die Zeugin zugegangen, hätten ihm ein Bein gestellt und ihn zu Fall gebracht, auf den Kopf des am Boden liegenden Klägers eingetreten, dann die Brieftasche entwendet und seien dann geflüchtet. Der Kläger habe sodann die Verfolgung aufgenommen, diese aber wegen starker Schmerzen im Arm aufgegeben. Er sei dann “die ganze Nacht„ im Krankenhaus geblieben.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2009 lehnte die Beklagte es ab, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Schilderung des Unfallgeschehens durch den Kläger weiche stark vom Vernehmungsprotokoll ab. Hiernach sei davon auszugehen, dass die Verletzung beim Überfall selbst und nicht bei der Verfolgung der Täter eingetreten sei, zumal der Kläger das Protokoll unterzeichnet habe. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Die Widersprüche seien damit zu erklären, dass die Vernehmungsbeamtin nur gebrochen Englisch gesprochen und seine Angaben offenbar falsch verstanden habe. Da er selbst kein katalanisch verstehe, aber zur Ausreise ohne Personaldokumente eine polizeiliche Bestätigung über deren Verlust gebraucht habe, habe er das Protokoll ohne Kenntnis des genauen Inhalts unterschrieben. Er sei davon ausgegangen, dass alles seinen Angaben gemäß festgehalten worden sei, zumal die Beam...