Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. obligatorische Anschlussversicherung. Ende der Familienversicherung. Anspruch auf Hilfe bei Krankheit nach § 48 SGB 12. keine analoge Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 188 Abs 4 S 3 SGB 5
Leitsatz (amtlich)
Die Ausnahmevorschrift in § 188 Abs 4 S 3 SGB 5 ist für Personen - deren Familienversicherung endet - nicht analog anzuwenden.
Tenor
Der Bescheid vom 29. November 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. April 2017 wird aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger seit dem 9. Mai 2015 bei der Beklagten zu 1) freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung ist.
Die Beklagte zu 1) erstattet dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger bei der Beklagten seit dem 9. Mai 2015 freiwillig krankenversichert ist.
Der 1946 geborene Kläger war zunächst bei der Beklagten zu 1) über seine Ehefrau familienversichert, welche am 8. Mai 2015 verstarb. Der Kläger bezieht Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) – beginnend bereits vor dem Tod seiner Ehefrau.
Die Beklagte stellte auf Antrag des Klägers zunächst fest, dass für den Kläger keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner bestehe, da er die Vorversicherungszeiten nicht erfülle (Bescheid vom 4. August 2015). In demselben Schreiben wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er binnen drei Monaten nach Ende der Familienversicherung der freiwilligen Versicherung beitreten könne. Der Kläger reichte am 1. September 2015 eine Erklärung zur Mitgliedschaft in der freiwilligen Versicherung bei der Beklagten ein. Die Beklagte stellte daraufhin fest, dass diese Mitgliedschaft nicht bestünde, da der Kläger die Erklärung nicht binnen drei Monaten eingereicht habe (Bescheid vom 22. Dezember 2015).
In der Folge begehrte der Kläger von der Beklagten die Feststellung, dass er in der freiwilligen Versicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V Mitglied geworden ist. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 29. November 2016 fest, dass sich die Mitgliedschaft bei der Beklagten nach dem Ende der Familienversicherung nicht als freiwillige Krankenversicherung fortgesetzt habe, da der Kläger durch den Bezug der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall besitze. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte als unbegründet zurück.
Die Beklagte zu 2) hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, die Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 3 SGB XI durchzuführen, wenn die Kammer rechtskräftig entscheidet, dass der Kläger bei der Beklagten zu 1) freiwillig krankenversichert ist. Der Rechtsstreit wurde daher vom Kläger, soweit er die Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung betrifft, für erledigt erklärt.
Der Kläger ist der Auffassung, dass er seit dem Tode seiner Frau gem. § 188 Abs. 4 S. 1 SGB V bei der Beklagten zu 1) freiwillig versichert sei. Außerdem sei er nicht bzw. zu spät von der Beklagten zu 1) auf die Möglichkeit hingewiesen worden, freiwilliges Mitglied in der Krankenversicherung zu werden.
Der Kläger beantragt zuletzt,
den Bescheid vom 29. November 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. April 2017 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger seit dem 9. Mai 2015 bei der Beklagten zu 1) freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung ist.
Die Beklagte zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist auf den Widerspruchsbescheid und führt ergänzend an, der Kläger sei auf die Möglichkeit der freiwilligen Mitgliedschaft rechtzeitig hingewiesen worden. Außerdem käme die obligatorische Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 S. 1 SGB V nicht in Betracht, da der Kläger über § 48 SGB XII eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall habe, und die Ausnahmevorschrift § 188 Abs. 4 S. 3 SGB V für ihn Anwendung finde.
Die Beigeladene ist der Auffassung, dass der Kläger nach § 188 Abs. 4 S. 1 SGB V freiwillig versichert sei, da die Ausnahmevorschrift nach S. 3 für den Kläger nicht anwendbar sei. Der Wortlaut greife für Personen, deren Versicherungspflicht ende, und nicht für Personen, deren Familienversicherung ende.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten zu 1) und der Beigeladenen verwiesen, die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung geworden sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als Anfechtungs- und Feststellungsklage gem. § 54 Abs. 1 S. 1 und § 55 Abs. 1 SGG zulässig und begründet.
Der Bescheid vom 29. November 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. April 2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger ist seit dem 9. Mai 2015 bei der Beklagten zu 1) freiwillig krankenversichert.
Der freiwilligen Versicherung können nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB V Personen beitreten, deren Versicherung nach § 10 erlischt oder nur deswe...