Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen. Förderung der beruflichen Weiterbildung. Übernahme von Fahrkosten. kein Ermessen hinsichtlich der Höhe der Fahrkostenerstattung. keine unmittelbare Rechtswirkung von Geschäftsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit. Erstattung der notwendigen Kosten
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Bestimmung der Höhe zu erstattender Fahrtkosten besteht kein Ermessensspielraum. Der Grundsicherungsträger hat im Rahmen des § 16 SGB 2 zwar ein Entschließungsermessen über das "Ob" der Förderung. Der Umfang der Förderung - auch der Fahrkostenerstattung - stellt jedoch eine gebundene Entscheidung dar (Anschluss an BSG vom 6.4. 2011 - B 4 AS 117/10 R = BSGE 108, 80 = SozR 4-4200 § 16 Nr 6).
2. Die Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit zu der Förderung der beruflichen Weiterbildung stellt eine bloße Verwaltungsvorschrift dar, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfaltet. Maßgeblich für die Ermittlung der Höhe der zu erstattenden Fahrtkosten ist alleine die gesetzliche Regelung des § 81 Abs 2 SGB 3, ggf iVm § 81 Abs 3 SGB 3. Danach sind die Kosten eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Klasse zu erstatten, soweit nicht einer der anderen dort geregelten Fälle vorliegt.
3. Im Rahmen des § 81 Abs 2 SGB 3 werden in entsprechender Anwendung des § 3 Abs 1 S 1 des Bundesreisekostengesetzes (juris: BRKG 2005) nur die notwendigen Reisekosten erstattet. Notwendig sind diejenigen Kosten, die unter Ausschöpfung sämtlicher tatsächlich im Einzelfall zur Verfügung stehender Vergünstigungsmöglichkeiten anfallen.
4. Dem jeweils Anspruchsberechtigten muss es möglich sein, seine Fahrtkosten unter Nutzung der verfügbaren Vergünstigungen tatsächlich zu decken.
Tenor
1. Der Bescheid vom 16. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2010 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin weitere Fahrtkosten in Höhe von 20,20 EUR zu erstatten.
2. Der Beklagte trägt 60 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung weiterer Fahrtkosten für eine Weiterbildungsmaßnahme.
Die Klägerin bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Beklagten. Mit Bescheid vom 16. Oktober 2009 bewilligte der Beklagte der Klägerin die Übernahme von Kosten für eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme vom 26. Oktober 2009 bis zum 24. November 2009, darunter Fahrtkosten in Höhe von 33,50 EUR. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2009 legte die Kläger gegen den Bescheid Widerspruch hinsichtlich der Höhe der bewilligten Fahrtkosten ein. Zur Begründung führte sie an, dass die Maßnahme sich über zwei Monate erstrecke und sie daher zwei Berliner Sozialtickets zu je 33,50 EUR erwerben müsse. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück (W …./09). Für Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.
Mit ihrer am 10. Februar 2010 beim Sozialgericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter. Zur Begründung führt sie an, dass das Berliner Sozialticket jeweils für einen Kalendermonat gelte und sie daher zwei Sozialtickets habe erwerben müssen.
Ursprünglich hatte die Klägerin angekündigt, die Übernahme von weiteren Fahrtkosten in Höhe von 33,50 EUR zu beantragen. Nach Hinweis des Gerichts beantragt die Klägerin nunmehr,
den Bescheid vom 16. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr weitere Fahrtkosten in Höhe von 20,20 EUR zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf den Widerspruchsbescheid und die Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit zu der Förderung der beruflichen Weiterbildung, wonach im vorliegenden Fall nur 3/3 der Kosten einer Monatskarte zu erstatten seien.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Die in Form einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 SGG) zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 16. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Übernahme weiterer Fahrtkosten in der tenorierten Höhe.
Der Anspruch auf Fahrtkostenerstattung ergibt sich aus § 16 Abs. 1 S. 2 SGB II iVm. § 81 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB III). Danach kann der Träger der Grundsicherungsleistungen die im Sechsten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB III geregelten Leistungen, einschließlich Fahrkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Bildungsstätte (Pendelfahrten) übernehmen. Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Beklagte hat der Klägerin die Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Weiterb...