Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Befreiung von der Erstattungspflicht des Arbeitgebers. unzumutbare Belastung. Rechtsänderung. fehlende Insolvenzfähigkeit des Arbeitgebers. juristische Person des öffentlichen Rechts des Landes Berlin. Rückwirkungsverbot

 

Orientierungssatz

Der Anwendung des Befreiungstatbestandes des § 147a Abs 2 Nr 2 SGB 3 in der ab 1.1.2002 geänderten Fassung auf einen Arbeitgeber, der als juristische Person des öffentlichen Rechts nach § 1 JurPersInsUfG BE iVm § 12 Abs 1 Nr 2 InsO konkurs- bzw insolvenzunfähig ist, steht das Rückwirkungsverbot des Art 20 Abs 3 GG nicht entgegen, auch wenn bereits vor Inkrafttreten der Rechtsänderung mit dem Arbeitnehmer ein Aufhebungsvertrag mit Rücktrittsrecht geschlossen wurde.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.05.2009; Aktenzeichen B 11 AL 4/07 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 20.612,11 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Arbeitslosengeld nebst Beiträgen zur Sozialversicherung gemäß § 147 a Sozialgesetzbuch/Arbeitsförderung - SGB III - in der ab dem 01. Januar 2002 geltenden Fassung in Höhe von insgesamt 20.612,11 Euro, welches die Beklagte für einen bei der Klägerin zuvor langjährig beschäftigten älteren Arbeitnehmer aufgebracht hat.

Die Klägerin ist als rechtskräftige Anstalt des öffentlichen Rechts seit dem 01. Januar 1994 mit der Durchführung des öffentlichen Personennahverkehrs beauftragt. Im Jahre 1994 beschäftigte sie rund 21.000 Arbeitnehmer und baute das Personal bis auf rund 12.000 Arbeitnehmer zum Ende des Jahres 2004 ab. Bis einschließlich 31. Dezember 2001 wurde die Klägerin von einer Erstattungspflicht nach § 147 a SGB III, vormals § 128 Arbeitsförderungsgesetz, freigestellt.

Seit dem 04 April 1972 beschäftigte die Klägerin einen ... 1945 geborenen Arbeitnehmer, zuletzt als Omnibusfahrer. Länger arbeitsunfähig krank war der Arbeitnehmer in den letzten zwei Jahren der Beschäftigung vom 19. Juni 2002 bis 02. August 2002 und vom 26. März 2003 bis 16. April 2003.

Mit Aufhebungsvertrag vom 14. Mai 2003 wurde einvernehmlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Mai 2003 vereinbart. Diese Vereinbarung sah ein Rücktrittsrecht vor. Mit Auflösungsvertrag vom 24. März 2003 wurde das Arbeitsverhältnis endgültig zum 31. Mai 2003 unter Zahlung einer Abfindung in Höhe von 46.247,47 Euro und einer monatlichen Abfindung bis 31. Mai 2005 beendet.

Die Beklagte bewilligte dem Arbeitnehmer Arbeitslosengeld unter Festsetzung einer Sperrzeit vom 01. Juni 2003 bis 23. August 2003 ab 24. August 2003 für die Dauer von 804 Tagen (Bescheid vom 25. Juni 2003). Der Arbeitnehmer gab bei der Antragstellung an, dass gesundheitliche Beschwerden einer Weiterbeschäftigung auf dem letzten Arbeitsplatz nicht entgegengestanden hätten, er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch nicht arbeitsunfähig krank gewesen sei und er keinen Antrag auf andere Sozialleistungen als das Arbeitslosengeld gestellt habe.

Nach Anhörung forderte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Januar 2004 die Erstattung des an den Arbeitnehmer gezahlten Arbeitslosengeldes sowie der Beiträge zur Sozialversicherung für die Zeit vom 24. August 2003 bis 30. November 2003 in Höhe von insgesamt 6.511,05 Euro, mit Bescheid vom 05.05.2004 für die Zeit vom 01. Dezember 2003 bis 31. März 2003 in Höhe von insgesamt 8,069,94 Euro und mit Bescheid vom 23. Juli 2004 für die Zeit vom 01. April 2004 bis 30. Juni 2004 in Höhe von insgesamt 6.081,12 Euro, zusammen von 20.662,11 Euro. Die Widersprüche der Klägerin, wonach die Erstattung für sie unzumutbar sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2004 zurück.

Mit der am 15. September 2004 eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin weiter gegen die Erstattungsforderungen. Sie trägt vor, § 147 a SGB III sei in der vor dem 01. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden, so dass auch weiterhin auf die Unzumutbarkeit der Erstattung abzustellen sei, die sich aus entsprechenden Gutachten ergebe. Die Neuregelung stelle eine unzulässige Rückwirkung dar. Sie sei darüber hinaus verfassungswidrig. Das vereinbarte Rücktrittsrecht sei nur förmlich gegeben, tatsächlich aber durch die tarifvertragliche Regelung ausgeschlossen.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide der Agentur für Arbeit Berlin Süd vom 15. Januar 2004, 05. Mai 2004 und 23. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2004 aufzuheben,

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide aus den Gründen des Vorverfahrens für rechtmäßig. Anhaltspunkte für einen Anspruch des Arbeitnehmers auf andere Sozialleistungen vermag sie nicht zu erkennen. Im Übrigen hält sie die gesetzliche Grundlage für ihre Erstattungsforderung für verfassungsgemäß. Auch die vorliegende unechte Rückwirkung ist nach ihrer Auffassung zulässig.

Die den früheren Arbeitnehmer J A betreffende Leistungsakte der Beklagten - Kd.-Nr.: ... - hat der Kamme...

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