Entscheidungsstichwort (Thema)
Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen. sachlich-rechnerische Richtigkeit. Beweislast der KÄV bei Honorarkürzungen wegen Praxisvergrößerung durch Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten
Orientierungssatz
Die Kassenärztliche Vereinigung trägt bei Honorarkürzungen im Wege der Honorarrückforderung wegen Praxisvergrößerung durch Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten (§ 106a Abs 1, Abs 2 S 1 Halbs 1SGB 5 iV mit § 32 Abs 3 Alt 1 Ärzte-ZV) die objektive Beweislast.
Tenor
Die Bescheide vom 10.10.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 15.5.2012 werden aufgehoben.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Honorarkürzung im Wege sachlich-rechnerischer Richtigstellung wegen Fallzahlvergrößerung aufgrund der Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten.
Die Klägerin nahm vom 1.1.2005 bis 31.3.2011 an der vertragsärztlichen Versorgung in B... teil. Zuvor nahmen ihre Mitglieder, die Eheleute Frau Dr. und Herr Dr. D..., mit eigenen Praxen an der vertragsärztlichen Versorgung seit 1985 bzw. 1986 teil. Seit dem 1.4.2011 betreiben sie ein MVZ. Frau Dr. D... ist im gesamten streitrelevanten Zeitraum, also von 1996 bis heute, als Fachärztin für Nervenheilkunde und Psychotherapeutische Medizin zugelassen, Herr Dr. D... im gleichen Zeitraum als Facharzt für Psychiatrie sowie als Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie.
Ab dem 1.4.1997 beschäftigte Herr Dr. D..., ab dem 1.1.1998 Frau Dr. D... durchgehend nacheinander verschiedene genehmigte Weiterbildungsassistenten; dies setzten sie bzw. die Klägerin und dann das MVZ bis 31.12.2011 fort. Auch in den von der Beklagten beanstandeten Quartalen II bis IV/2010 beschäftigte die Klägerin nacheinander verschiedene Weiterbildungsassistenten; diese füllten in diesen Quartalen nahezu durchgehend insgesamt zwei Vollzeitstellen aus.
Nach jeweiliger Bescheidung und Auszahlung der Honorare für die streitgegenständlichen Quartale II bis IV/2010 forderte die Beklagte jeweils mit Bescheid vom 10.10.2011 im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung von der Klägerin für das Quartal II/2010 24783,69 EUR, für das Quartal III/2010 29085,82 und für das Quartal IV/2010 28305,35 EUR zurück. Zur Begründung gab sie Folgendes an: Eine Prüfung habe ergeben, dass die Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten dazu geführt habe, dass die Klägerin vergrößert worden sei und demnach die Voraussetzungen des § 32 Absatz 3 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) vorlägen. Die Beklagte berief sich dabei auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 3.2.2010 - B 6 KA 1/09 R - (juris.de). Sie habe zur gleichmäßigen Ermessensausübung beschlossen, eine Honorarkürzung im Wege einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung zur Verhinderung der Vergrößerung einer Kassenpraxis durch Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten so vorzunehmen, dass alle Fälle, die oberhalb von 125 % der Fallzahl des Vergleichsquartals vor Tätigkeitsaufnahme des Weiterbildungsassistenten liegen, mit dem durchschnittlichen praxisindividuellen Fallwert zu multiplizieren seien. Dabei ermittelte die Beklagte den Kürzungsbetrag aus der Summe des jeweiligen Ergebnisses für das jeweilige Mitglied der Klägerin, denn sie berechnete die Fallzahlvergrößerung getrennt für die Mitglieder der Klägerin. Für Frau Dr. D... ermittelte sie ausweislich der Bescheide in den beanstandeten Quartalen II bis IV/2010 Fallzahlen in Höhe von 563, 596 und 593; als Vergleichszeitraum zog sie die Quartale II bis IV/1997 heran; für diese Quartale ermittelte sie ausweislich der Bescheide Fallzahlen in Höhe von 202, 210 und 187. Für Herrn Dr. D... ermittelte die Beklagte ausweislich der Bescheide in den beanstandeten Quartalen II bis IV/2010 Fallzahlen in Höhe von 520, 487 und 487; als Vergleichszeitraum zog sie die Quartale II bis IV/1996 heran; für diese Quartale ermittelte sie ausweislich der Bescheide Fallzahlen in Höhe von 386, 418 und 441. Die Auswertungen und Berechnungen würden eindeutig belegen, dass durch die Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten die Klägerin vergrößert worden sei.
Mit Schreiben vom 13.10., 7.11. und vom 29.11.2011 legte die Klägerin Widersprüche gegen die Bescheide vom 10.10.2010 ein bzw. begründete diese. Zur Begründung gab sie, teilweise durch ihren Bevollmächtigten, Folgendes an: Frau Dr. D... habe sich seit dem Beginn der Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten, insbesondere seit dem Jahr 2000, weniger um die Erziehung der 1984 und 1987 geborenen Kinder kümmern müssen und deshalb ihre Praxistätigkeit intensivieren können. Es habe sich auch der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit von einer psychotherapeutischen Akzentuierung zu einer nervenärztlichen Tätigkeit verändert. Sie habe die Betreuung von Alten- und Pflegeheimen übernommen. Herr Dr. D... habe in den beanstandeten Quartalen wenig bis nicht, in den Vergleichsquartalen viel Urlaub gemacht. Es hätte gemäß dem von der Beklagten herangezogenen Urteil des Bundes...