Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Honorararzt. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn eine Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis nach Weisungen erfolgt und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte und die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft gekennzeichnet.
2. Bei der Entscheidung, ob bei einem für einen Krankenhausträger tätigen Honorararzt eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit anzunehmen ist, ist zunächst von dem erklärten Willen der Vertragsparteien auszugehen. Haben diese ausdrücklich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht gewollt, so ist von dessen Vorliegen nur dann auszugehen, wenn die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung eindeutig überwiegen.
3. Ist dem Honorararzt gegenüber ein Kontroll- und Weisungsrecht des Chefarztes zu verneinen, ist er in der Gestaltung seiner Arbeitszeit weitgehend frei, ist ihm vom Krankenhausträger eingeräumt, für weitere Auftraggeber tätig zu werden, übt er seine Tätigkeit aufgrund eines zeitlich befristeten Vertrags aus, hat er keinen Lohnfortzahlungsanspruch im Krankheits- und Urlaubsfall und macht er seine Vergütung gegenüber dem Krankenhausträger nicht als Arbeitslohnforderung sondern als Honorar aufgrund unterschiedlich ausgehandelter Stundenhonorare geltend, so sprechen solche Umstände für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit.
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. April 2012, so wie er sich nach dem angenommenen Teilanerkenntnis darstellt, wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass die Tätigkeiten des Beigeladenen im Krankenhaus der Klägerin in der Zeit vom 29. Juni 2009 bis 30. Dezember 2010 keine abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse waren.
3. Der Streitwert wird auf 25.000,00 € festgesetzt.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen in seiner Tätigkeit als Radiologe im Klinikum der Klägerin.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus im Sinne des § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Der 1972 geborene Beigeladene ist Facharzt für Radiologie. Seit April 2002 ist er nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) von der Rentenversicherungspflicht befreit (Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 8. Mai 2002).
Auf dem dafür vorgesehenen Formular VO 27 der Beklagten stellte die Klägerin am 27. Juni 2011 (Eingang bei der Beklagten) den Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen in seiner Tätigkeit als Honorararzt im Klinikum der Klägerin in den Zeiten 29. Juni 2009 bis 30. Juni 2010 und 21. Dezember bis 30. Dezember 2012. Anlass für den Statusfeststellungsantrag war eine von der Beklagten bei der Klägerin für Herbst 2011 angekündigte Betriebsprüfung.
Der Beigeladene war vor der zu prüfenden Zeit abhängig beschäftigt in einem Krankenhaus in Brandenburg (2006 bis 2008) und im Unfallkrankenhaus Berlin (Februar 2008 bis April 2009). Danach war er als Honorararzt tätig an Krankenhäusern in Pirna, Dessau, Berlin-Weißensee und Riesa. Seit 1. April 2014 betreibt er eine eigene radiologische Praxis in H,. Vermittelt durch die über das Internet tätige Agentur K. hatte der Beigeladene mit der Klägerin mehrere Verträge über honorarärztliche Tätigkeit abgeschlossen (am 28. April 2009 für die Zeit vom 29. Juni 2009 bis 31. August 2009; am 4. August 2009 für die Zeit vom 1. September 2009 bis 31. Dezember 2009; am 9. September 2009 für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. März 2010; am 26. März 2010 für die Zeit vom 1. April 2010 bis 31. Mai 2010; am 27. Mai 2010 für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis 30. Juni 2010 und am 24. November 2010 für die Zeit vom 21. Dezember 2010 bis 30. Dezember 2010). Wegen des Wortlauts der Verträge wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (exemplarisch dort Bl. 17 und 18) verwiesen. In der Zeit vom 29. Juni 2009 bis 30. Dezember 2010 übte der Beigeladene daneben keine weitere ärztliche Tätigkeit aus. Die Abrechnung mit der Klägerin erfolgte auf Stundenbasis. Die Stundensätze betrugen je nach Einsatzzeit zwischen 70,00 € und 170,00 €. Während der gesamten Einsatzzeit stellte die Klägerin dem Beigeladenen eine angemessene Unterkunft zur Verfügung. Insgesamt zahlte die Klägerin dem Beigeladenen 291.111,98 € Honorar und der Onlineärztevermittlung K. 31.498,86 € Vermittlungsprovision.
Mit Schreiben vom 13. Oktober 2011 informierte die Beklagte sowohl die Klägerin als auch den Beigeladenen darüber, dass beabsichtigt sei, da...