Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungsrecht: Statusfeststellung. Beurteilung der Sozialversicherungspflicht einer Beschäftigung bei Tätigkeit als Arzt in der Notaufnahme einer Klinik
Orientierungssatz
1. Die Erbringung ärztlicher Leistungen in einem Krankenhaus (hier: ärztliche Tätigkeit in der Notaufnahme eines Krankenhauses) können durch das Krankenhaus grundsätzlich auch auf dem freien Markt von selbständig tätigen Ärzte eingekauft werden.
2. Von einer selbständigen und damit nicht der Sozialversicherungspflicht unterfallenden Tätigkeit eines Arztes beim Einsatz in der Notaufnahme eines Krankenhauses kann jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn die Vertragsparteien im Vertrag von einer selbständigen Tätigkeit des Arztes ausgingen und die vertraglichen Vereinbarungen entsprechend gestaltet haben, soweit die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit mit den vertraglichen Vereinbarungen im Einklang steht.
3. Einzelfall zur Beurteilung der Sozialversicherungspflicht einer Tätigkeit als Honorararzt in der Notaufnahme einer Klinik (hier: Sozialversicherungspflicht verneint).
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 17. September 2012 in der Gestalt des Bescheids vom 22. April 2013 und des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2013 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass die Beschäftigungen des Beigeladenen im Krankenhaus der Klägerin in der Zeit vom 3. Juli 2011 bis 24. Oktober 2011 keine abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen waren.
3. Der Streitwert wird auf 15.000,-- € festgesetzt.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen in seiner Tätigkeit als Arzt in der Notaufnahme der Klinik für Chirurgie im Krankenhaus der Klägerin.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus im Sinne des § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Der 1970 geborene Beigeladene ist Facharzt für Chirurgie. Seit August 2002 ist er nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) von der Rentenversicherungspflicht befreit (Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 27. September 2002).
Auf dem dafür vorgesehenen Formular VO 27 der Beklagten stellte die Klägerin am 11. April 2012 (Eingang bei der Beklagten) den Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen in seiner Tätigkeit als Honorararzt im Klinikum der Klägerin zu verschiedenen Zeiten zwischen 3. Juli 2011 und 24. Oktober 2011. Anlass für den Statusfeststellungsantrag war eine von der Beklagten bei der Klägerin für Herbst 2011 angekündigte Betriebsprüfung.
Der Beigeladene war vor und nach der zu prüfenden Zeit als Honorararzt an verschiedenen Krankenhäusern tätig. Vermittelt durch die über das Internet tätige Agentur K. hatte der Beigeladene mit der Klägerin mehrere Verträge über honorarärztliche Tätigkeit abgeschlossen (am 2. Juli 2011 für die Zeit vom 3. Juli 2011 bis 20. Juli 2011; am 27. Juli 2011 für die Zeit vom 8. August 2011 bis 31. August 2011; am 29. August 2011 für die Zeit vom 5. September 2011 bis 30. September 2011; am 27. September 2011 und 21. Oktober 2011 für die Zeit vom 4. Oktober 2011 bis 24. Oktober 2011). Wegen des Wortlauts der Verträge wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (exemplarisch dort Bl. 11) verwiesen. Die Abrechnung mit der Klägerin erfolgte auf Stundenbasis. Der Stundensatz betrug 70,00 €. Während der gesamten Einsatzzeit stellte die Klägerin dem Beigeladenen eine angemessene Unterkunft zur Verfügung. Insgesamt zahlte die Klägerin dem Beigeladenen für die nach dessen Aussage 77 Einsatztage 84.735,00 € Honorar und der Onlineärztevermittlung K. 10.083,47 € Vermittlungsprovision.
Mit Schreiben vom 1. Juni 2012 informierte die Beklagte sowohl die Klägerin als auch den Beigeladenen darüber, dass beabsichtigt sei, das Vorliegen einer abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung festzustellen.
In diesem Sinne erließ die Klägerin am 17. September 2012 jeweils einen an die Klägerin und den Beigeladenen gerichteten Bescheid. Sie stellte fest, dass die Tätigkeiten des Beigeladenen als Honorararzt bei der Klägerin in der Zeit vom 3. Juli 2011 bis 24. Oktober 2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung, beginnend mit der Aufnahme der Beschäftigung. In der Rentenversicherung bestehe wegen der Mitgliedschaft im ärztlichen Versorgungswerk keine Versicherungspflicht. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gegenüber denen für eine selbständige Tätigkeit überwiegen.
Auf die dagegen sowohl von der Klägerin als auch vom Beigeladenen eingelegten Widersprüche, mit denen genau das Gegenteil geltend gemacht wurde, erließ die Beklagte am 22. April...