Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 1.196,16 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer vollstationären Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus, insbesondere darum, ob bei Unterbringung auf einer geschlossenen Station das Merkmal der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen kodiert werden durfte.
Die 1939 geborene und bei der beklagten Krankenkasse versicherte H. (im Weiteren: Versicherte) wurde im psychiatrischen Krankenhaus der Klägerin (I.) vom 4. Juni 2018 bis 12. Juli 2018 vollstationär behandelt. Die Unterbringung erfolgte auf der beschützend geführten gerontopsychiatrischen Station (geschlossene Station) nach NPsychKG (Niedersächsisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke vom 16. Juni 1997 in der ab 25. Mai 2018 geltenden Fassung) und nach § 1906 BGB.
Die Klägerin liquidierte gegenüber der Beklagten die unstreitig gebliebene Fallpauschale PEPP PA15B für 39 Behandlungstage sowie für 28 Behandlungstage das Zusatzentgelt ET0203 (28 x 42,72 € = 1196,16 €). Die Beklagte glich den Rechnungsbetrag zunächst komplett aus, ließ dann jedoch eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) durchführen. Dieser kam am 19. März 2019 und 24. Juli 2019 zu dem Ergebnis, die Voraussetzungen für die Berechnung des Zusatzentgelts hätten nicht vorgelegen. ET0203 dürfe nur abgerechnet werden, wenn die Prozedur OPS 9-619 (Intensivbehandlung bei psychischen und psychosomatischen Störungen und Verhaltensstörungen bei erwachsenen Patienten mit 3 Merkmalen) kodiert werden kann. Diese wiederum setze taggenau das Vorhandensein von mindestens drei der im OPS-Text genannten sieben Merkmale voraus. Nur jeweils zwei seien an den abgerechneten 28 Tagen dokumentiert. Als (drittes) Merkmal sei von der Klägerin während der gesamten Behandlungszeit die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen angegeben, da die Versicherte auf der geschlossenen Station untergebracht gewesen sei. Es seien aber darüber hinaus keine individuellen Sicherungsmaßnahmen angegeben und dokumentiert worden. Das Merkmal könne deshalb für keinen Tag berücksichtigt werden.
Die Beklagte schloss sich dem MDK an und forderte die Klägerin (erfolglos) zur Rückzahlung der Erlöse aus den ET0203 in Höhe von 1.196,16 € auf. Am 18. September 2019 rechnete die Beklagte daraufhin mit anderen unstreitigen und fälligen Rechnungen der Klägerin auf.
Die Klägerin hat am 18. Dezember 2020 Klage vor dem Sozialgericht Braunschweig erhoben. Sie ist der Auffassung, die Zusatzentgelte ET0203 hätten berechnet werden dürfen, weil OPS 9-619 an jedem der 28 zur Berechnung herangezogenen Behandlungstage kodiert werden konnte. Neben den unstreitigen beiden Merkmalen sei an jedem Tag der Unterbringung auf der geschlossenen Station (deshalb) auch das Merkmal der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen erfüllt. Die Versicherte habe zu keinem Zeitpunkt Ausgang gehabt. Weder Personalausgang noch Einzelausgang noch Gruppenausgang oder Angehörigenausgang.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.196,16 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. September 2019 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, allein die Unterbringung auf einer geschlossenen Station erfülle nicht die Kriterien des strittigen Merkmals. Voraussetzung seien individuelle Maßnahmen, an denen es hier fehle. Der strittige Betrag sei deshalb zu Recht verrechnet worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die Patientenakte der Klägerin und die Verwaltungsakte der Beklagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Bei einer auf Zahlung von Behandlungskosten von Versicherten gerichteten Klage des Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse geht es um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSG, SozR 4-2500 § 39 Nr. 1 Rdnr. 6 m.w.N.). Ein Vorverfahren ist nicht durchzuführen, eine Klagefrist nicht einzuhalten. Das gilt auch für psychiatrische Krankenhäuser.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 1.196,16 € für die bei anderen Versicherten erbrachte Krankenhausbehandlung.
Der ursprünglich entstandene Anspruch der Klägerin auf Vergütung für die Krankenhausbehandlung anderer Versicherter erlosch dadurch in Höhe von 1.196,16 €, dass die Beklagte wirksam mit ihrem in dieser Höhe bestehenden Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten aufrechnete. Die Klägerin erhielt von der Beklagten für den hier streitigen Behandlungsfall 12.906,56 € obwohl sie lediglich Anspruch auf Zah...