Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegfall des Arbeitslosengeld II. Verpflichtung des Grundsicherungsträgers zur gleichzeitigen Entscheidung über ergänzende Sach- oder geldwerte Leistungen. Ermessensreduzierung bei Zusammenleben mit minderjährigem Kind. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
1. Die Entscheidung über die Sanktion nach § 31 Abs 1 SGB 2 einerseits und die Gewährung ergänzender Sachleistungen oder geldwerter Leistungen nach § 31 Abs 3 S 6 SGB 2 andererseits sind eigenständige Verwaltungsentscheidungen. Es ist deshalb grundsätzlich zulässig, dass die Entscheidung über die Gewährung ergänzender Sachleistungen oder geldwerter Leistungen der Entscheidung über die Sanktion zeitlich auch nachfolgen kann.
2. Der dem Grundsicherungsträger eingeräumte Ermessensspielraum verdichtet sich jedoch, wenn in der von der Sanktion betroffenen Bedarfsgemeinschaft minderjährige Kinder leben. In einem solchen Fall handelt der Grundsicherungsträger nur dann rechtmäßig, wenn er die anstelle der Geldleistung vorgesehene Leistung von Amts wegen bewilligt und diese mit der Sanktionsentscheidung verbindet. Anderenfalls ist der ergangene Sanktionsbescheid wegen Ermessensausfalls rechtswidrig.
Tenor
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller zu 1) vorläufig für die Zeit ab 12.05.2010 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, längstens aber bis zum 31.10.2010, Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 512,50 Euro zu gewähren.
Die Gewährung erfolgt vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
Gründe
I.
Der Antragsteller zu 1) wehrt sich gegen eine gegen ihn verhängte Sanktion.
Die Antragsteller beziehen laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes. Der Antragsteller zu 1) lebt zusammen mit seiner Lebensgefährtin und deren 16- jährigen Tochter in einer Bedarfsgemeinschaft.
Am 24.04.2009 unterzeichnete der Antragsteller zu 1) eine Eingliederungsvereinbarung, in der er sich verpflichtete kalendermonatlich mindestens zehn Eigenbemühungen zu tätigen und nachzuweisen. Nach Ablauf der Eingliederungsvereinbarung weigerte sich der Antragsteller zu 1) eine neue Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Die Antragsgegnerin erließ daraufhin mit Bescheid vom 18.01.2010 eine Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt.
Die Eingliederungsvereinbarung vom 18.01.2010 regelt unter Punkt 2. die Bemühungen des Antragstellers zu 1) zur Eingliederung in Arbeit. Dort heißt es wörtlich:
“ * Sie nutzen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft
Fortsetzung der Bemühungen von Herrn A. zur Eingliederung in Arbeit
* Sie nehmen jede zumutbare versicherungspflichtige oder geringfügige Beschäftigung auf/auch bei Zeitarbeitsfirmen oder befristete Stellenangebote.
* Sie bewerben sich zeitnah auf Vermittlungsvorschläge, die ihnen zugesandt oder ausgehändigt werden, d.h. spätestens am dritten Tag nach Erhalt des Stellenangebotes.
* Sie tätigen und weisen Eigenbemühungen nach:
Kalendermonatliche Anzahl der Eigenbemühungen: mindestens 10. Art der Stellen (…)
(…)
Termine für die unaufgeforderte Einreichung der Nachweise: bis spätestens 5. Kalendertag des Folgemonats - erstmals zum 15.01.2010, dann 05.02.2010 -05.03.2010 -05.04.2010 -(…)
* Sie reichen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem ersten Tag der Erkrankung bei der BAgIS Nord 2, A-Straße, A-Stadt ein.„
Wegen des weiteren Inhalts der Eingliederungsvereinbarung wird auf Blatt 5-7 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit Sanktionsbescheid vom 20.01.2010 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller zu 1) mit, dass er wiederholt seinen Pflichten nicht nachgekommen sei. Die vorangegangene Pflichtverletzung datiere vom 05.08.2009. In der Folge entfalle der dem Antragsteller zu 1) zustehende Teil des Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.02.2010 bis zum 30.04.2010 vollständig. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, dass der Antragsteller zu 1) trotz der Belehrung über die Rechtsfolgen in der Eingliederungsvereinbarung vom 24.04.2009 seine festgelegten Pflichten nicht umfassend erfüllt habe, da er seine Eigenbemühungen nicht ausreichend nachgewiesen habe. In der von dem Antragsteller zu 1) unterzeichneten Eingliederungsvereinbarung habe sich dieser verpflichtet, monatlich zehn Eigenbemühungen/Bewerbungsnachweise vorzulegen. Dieser Pflicht sei der Antragsteller zu 1) nicht nachgekommen. Wichtige Gründe, die dieses Verhalten erklären seien weder angegeben noch nachgewiesen worden. Zu der Möglichkeit der Nachholung seiner Pflichten habe sich der Antragsteller zu 1) nicht geäußert, so dass eine Begrenzung des Wegfalls der Leistungen auf eine Absenkung um 60 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung nicht gerechtfertigt sei.
Mit Sanktionsbescheid vom 12.02.2010 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller zu 1) mit, d...