Leitsatz (amtlich)

Bei der Berechnung des Unterkunftskostenzuschusses nach § 22 Abs. 7 SGB II ist Kindergeld nicht anzurechnen (wie LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.01.2010, Aktenzeichen L 15 AS 1080/09 B ER). Gegenüber dem Zuschussanspruch ist Wohngeld nicht vorrangig. Soweit dies in den Verwaltungsanweisungen der Stadtgemeinde Bremen anders gesehen wird, ist diese Verwaltungspraxis offensichtlich rechtswidrig.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 20.01.2009 und des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2009 verurteilt, an die Klägerin ab dem 16.10.2008 einen Zuschuss nach § 22 Abs. 7 SGB II in Höhe von monatlich 97,00 Euro zu zahlen. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin hat die Beklagte zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Berechnung eines Unterkunftskostenzuschusses nach § 22 Abs. 7 SGB II. Die 1986 geborene Klägerin begann am 01.09.2007 eine Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau. Die Bruttovergütung betrug im ersten Lehrjahr 450,00 Euro und stieg auf 600,00 Euro im dritten Lehrjahr an. Voraussichtliches Ende der Ausbildung ist der 31.08.2010.

Vor Ausbildungsbeginn bezog die Klägerin laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II).

Die Klägerin bewohnt eine 48 qm große 2-Zimmer-Wohnung, für die sie eine Bruttowarmmiete von 315,00 Euro im Monat zahlt.

Die Klägerin erhält neben ihrer Ausbildungsvergütung Kindergeld sowie durch die Agentur für Arbeit Bremen Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) in wechselnder Höhe. Eine Anrechnung des Kindergeldes erfolgte bei der Bemessung der Berufsausbildungsbeihilfe nicht, wohl aber der Ausbildungsvergütung. Bei der Berechnung wurde der gesetzlich maximal zulässige Unterkunftsbedarf in Höhe von 218,00 Euro zugrunde gelegt.

Am 16.10.2008 stellte die Klägerin bei der Beklagten schriftlich den Antrag, ihr nach § 22 Abs. 7 SGB II einen Zuschuss zu ihren ungedeckten Kosten der Unterkunft zu zahlen.

Mit Bescheid vom 20.01.2009 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, von den ungedeckten Kosten der Unterkunft in Höhe von 97,00 Euro (315,00 Euro abzüglich 218,00 Euro) seien das gezahlte Kindergeld sowie die - um Freibeträge bereinigte - Ausbildungsvergütung abzuziehen. Danach könne der ungedeckte Unterkunftsanteil mit eigenem Einkommen bestritten werden.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 09.02.2009 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2009 als unbegründet zurückwies.

Am 13.03.2009 hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.01.2009 und des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2009 zu verurteilen, ihr einen Unterkunftskostenzuschuss gemäß § 22 Abs. 7 SGB II ab dem 16.10.2008 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bleibt dabei, dass das Kindergeld auf den ungedeckten Unterkunftsbedarf anzurechnen sei. Demgegenüber hat sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie an dem Abzug der Ausbildungsvergütung nicht mehr festhalte, weil diese bereits bei der Berechnung der Berufsausbildungsbeihilfe berücksichtigt worden sei.

Das Gericht hat die Leistungsakte beigezogen.

 

Entscheidungsgründe

Die als (unechte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Denn sie hat in Höhe von monatlich 97,00 Euro einen Zuschuss zu ihren Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 7 SGB II.

Nach dieser Vorschrift erhalten Auszubildende, die Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld nach dem Dritten Buch oder Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten und deren Bedarf sich nach § 65 Abs. 1, § 66 Abs. 3, § 101 Abs. 3, § 105 Abs. 1 Nr. 1, 4, § 106 Abs. 1 Nr. 2 des SGB III oder nach § 12 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3, § 13 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) bemisst, abweichend von § 7 Abs. 5 SGB II einen Zuschuss zu ihren ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 Satz 1). Satz 1 gilt nicht, wenn die Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 2a ausgeschlossen ist.

Die Klägerin ist nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II von Leistungen nach dem SGB II grundsätzlich ausgeschlossen. Sie erhält als Auszubildende Berufsausbildungsbeihilfe. Ihr Bedarf bemisst sich nach § 65 Abs. 1 SGB III i. V. m. § 13 BAföG. Entsprechend § 13 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 BAföG hat die Agentur für Arbeit bei der Berechnung der Berufsausbildungsbeihilfe einen Unterkunftsbedarf in Höhe von 218,00 Euro (146,00 Euro zuzüglich 72,00 Euro) anerkannt. Die Kosten der Klägerin für Unterkunft und Heizung sind zweifellos angemessen. Sie liegen deutlich unterhalb der § 12 WoGG entlehnten Mietobergrenzen. Der Zuschussanspruch ist auch nicht gemäß § 22 Abs. 7 Satz 2 SGB II ausgeschlossen, weil die Klägerin bereits vor dem 17.02.2006 aus dem ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?