Leitsatz (amtlich)
1. Eine Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 44 SGB IX stellt eine eigenständige Leistung zur medizinischen Rehabilitation i. S. v. § 42 Abs. 1 SGB IX dar.
2. Hiermit einhergehende Fahrtkosten sind gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 SGB IX als ergänzende Leistungen zur medizinischen Rehabilitation i. S. v. § 64 Abs. 1 Nr. 5 SGB IX zu übernehmen.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 2. Januar 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2019 verurteilt, dem Kläger ergänzende Leistungen für Fahrtkosten für die stufenweise Wiedereingliederung in Höhe von 669,60 Euro zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Fahrtkosten während einer Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung streitig.
Der im Jahr 1961 geborene Kläger ist Verwaltungsleiter in einem Möbelhaus. Vom 13. September bis zum 11. Oktober 2018 absolvierte er eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in Bad Segeberg. Kostenträger war die Beklagte. Ausweislich des ärztlichen Entlassungsberichts war der Kläger zum Entlassungszeitpunkt arbeitsunfähig. Die Leistungsfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit und den allgemeinen Arbeitsmarkt sei erhalten. Eine stufenweise Wiedereingliederung wurde in die Wege geleitet (vgl. Stufenplan vom 9. Oktober 2018) und begann am 6. November 2018 (Beginnmitteilung vom 6. November 2018). Die Beklagte bewilligte Übergangsgeld bis zum Ende der stufenweisen Wiedereingliederung am 17. Dezember 2018.
Am 13. Dezember 2018 beantragte der Kläger im Rahmen der Wiedereingliederung einen Fahrtkostenzuschuss für 31 Tage für die Strecke vom Wohnort zur Arbeitsstelle.
Mit Schreiben vom 2. Januar 2019 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Erstattung der Fahrtkosten nicht möglich sei. Die in § 53 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) aufgeführten Leistungen zur Erstattung der Fahrtkosten beinhalteten nicht die stufenweise Wiedereingliederung. Die Beklagte sei hierfür nicht zuständig. Eine Rechtsbehelfsbelehrung war dem Schreiben nicht beigefügt.
Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 14. Januar 2019. Er bezog sich auf ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Neuruppin vom 26. Januar 2017 (S 22 R 127/14), wonach Fahrtkosten während einer Wiedereingliederung durchaus als Leistungen nach § 53 SGB IX anzusehen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die stufenweise Wiedereingliederung sei keine eigenständige Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Sie gehöre nach § 44 SGB IX zu den Leistungen, die die eigentliche Rehabilitations-Hauptleistung - vorliegend die stationäre Maßnahme in Bad Segeberg - ergänzten. Als ergänzende Leistung zähle die stufenweise Wiedereingliederung damit dem Wortlaut nach nicht zu den Leistungen, die ihrerseits durch Reisekosten gemäß § 73 SGB IX ergänzt werden könnten.
Hiergegen hat der Kläger am 12. April 2019 Klage erhoben.
Im Wesentlichen wiederholt er sein bisheriges Vorbringen und begehrt einen Fahrtkostenersatz i. H. v. 669,60 Euro. Der Betrag setze sich wie folgt zusammen: Er sei an 31 Tagen eine Strecke von täglich zweimal 54 km gefahren. Unter Berücksichtigung einer Pauschale von 0,20 Euro pro Kilometer ergebe sich der geltend gemachte Betrag.
Er beantragt nach Lage der Akten,
die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 2. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2019 aufzuheben und dem Kläger die Kostenübernahme der entstandenen Fahrtkosten i. H. v. 669,60 Euro während der stufenweisen Wiedereingliederung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt nach Lage der Akten,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass es sich bei der stufenweisen Wiedereingliederung um keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation handele. Die Beklagte zahle zudem lediglich Übergangsgeld. Die alleinige Zahlung von Übergangsgeld könne aber keinesfalls als Hauptleistung angesehen werden. § 42 SGB IX zähle die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation auf. Die stufenweise Wiedereingliederung finde sich in dieser Aufzählung nicht. Eine Leistung nach § 44 SGB IX sei nur durch solche ergänzenden Leistungen zu begleiten, die auf § 44 SGB IX Bezug nähmen. Dies sei derzeit allein § 71 Abs. 5 SGB IX.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte das Gericht im vorliegenden Fall ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.
Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2019....