Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Grundleistung. keine Neufestsetzung der Höhe der Geldbeträge trotz Vorliegens der Ergebnisse einer neuen EVS. Fortschreibung der Geldbeträge. Erforderlichkeit einer vorherigen Entscheidung durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber
Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 3 Abs 4 AsylbLG (in der bis zum 31.8.2019 gültigen Fassung) werden zum 1. Januar eines Jahres die Leistungen der entsprechenden Veränderungsrate nach dem SGB XII angepasst. Diese Erhöhung ergibt sich direkt aus dem Gesetz, so dass eine vorherige Entscheidung durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber nicht notwendig ist (vgl SG Bremen vom 15.4.2019 - S 40 AY 23/19 ER mwN = ZFSH/SGB 2019, 468).
2. Solange eine Neufestsetzung der Bedarfe nach § 3 Abs 5 AsylblG (aF) durch den Gesetzgeber unterbleibt, ist eine Fortschreitung der Bedarfe nach § 3 Abs 4 AsylblG (aF) vorzunehmen.
Tenor
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 19.07.2018 in Fassung der Änderungsbescheide vom 18.07.2019, 05.09.2019 und 11.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2018 verpflichtet, der Klägerin im Zeitraum vom 01.07.2018 bis 30.11.2018 monatlich weitere Leistungen i.H.v. 4,00 EUR und im Zeitraum vom 01.12.2018 bis 21.08.2019 i.H.v. 192,00 EUR (2018) bzw. 199,00 EUR (2019) zu gewähren und unter Berücksichtigung der bereits aufgrund des Eilbeschlusses vom 20.03.2019 (Sozialgericht Bremen - S 39 AY 95/18 ER) erbrachten Leistungen auszuzahlen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung höherer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylblG).
Die Klägerin ist türkische Staatsangehörige und im Wege des Familiennachzuges am 22.05.2018 nach Deutschland eingereist. Sie stellte am 04.06.2018 einen Asylantrag und einen Antrag auf Leistungen nach dem AsylblG. Im November 2018 wurde ihr eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens (befristet bis zum 26.11.2020) ausgestellt. Zunächst wohnte sie in einer Notunterkunft in der C-Straße in A-Stadt. Seit dem 01.12.2018 wohnt sie bei ihrem Ehemann in der Straße A-Straße in A-Stadt. Der Ehemann der Klägerin bezieht Leistungen nach dem SGB II.
Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 19.07.2018 Leistungen ab Juli 2018 nach § 3 Abs. 1 S. 8 AsylblG (a.F.) i.H.v. 135 EUR. Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 25.07.2018 Widerspruch ein und führte aus, die Leistungen seien nach § 3 Abs. 4 AsylblG (a.F.) anzupassen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2018 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, § 3 AsylblG (a.F.) sehe eine Geldleistung i.H.v. 135 EUR vor. Die Klägerin lebe in einer Notunterkunft und werde dort vollverpflegt.
Im Dezember 2018 beantragte die Klägerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung (SG Bremen - S 39 AY 95/18 ER). Sie führte aus, die Leistungen seien nach § 3 Abs. 4 AsylblG (a.F.) anzupassen. Das Gericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 20.03.2018 stattgegeben und der Klägerin für den Zeitraum vom 22.12.2018 bis 22.08.2019 vorläufig höhere Leistungen zugesprochen.
In der Folgezeit erließ die Beklagte (Änderungs-)Bescheide vom 18.07.2019 und 05.09.2019. Mit dem Bescheid vom 11.12.2019 gewährte die Beklagte der Klägerin u.a. Leistungen ab dem 22.08.2019 nach § 2 AsylblG.
Der notwendige persönliche Bedarf wurde mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (AsylVfBeschlG) vom 11.03.2016 zum 01.04.2016 neu gefasst. Mit dem Entwurf eines dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes sollte eine Neufestlegung der Bedarfe nach § 3 AsylblG zum 01.01.2017 anhand der Einkommensund Verbrauchsstichprobe 2013 erfolgen. Der Bundesrat stimmte dem Gesetz nicht zu, so dass es nach dem Grundsatz der Diskontinuität nach dem Ende der 18. Wahlperiode erledigt ist. In der Folge ist es nicht zu einer Anpassung der Leistungshöhe von § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AsylblG gekommen. Erst mit dem dritten Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 13.08.2019 erfolgte eine Neuregelung der Bedarfe zum 01.09.2019.
Am 08.10.2019 hat die Klägerin Klage erhoben.
Das Gericht hat mit Schreiben vom 08.01.2019 das C. (BMAS) um Stellungnahme gebeten. Dieses führt in seiner Antwort vom 29.01.2019 aus, eine Fortschreibung nach § 3 Abs. 4 AsylblG (a.F.) könne in Ermangelung einer Neufestsetzung nach § 3 Abs. 5 AsylblG (a.F.) nicht erfolgen. Zudem setze eine Fortschreibung nach § 3 Abs. 4 AsylblG (a.F.) eine zwingende Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt voraus.
Zur Klagebegründung führt die Klägerin aus, die Grundleistungen nach § 3 AsylblG (a.F.) seien unzureichend. Die Leistungen seien - entgegen der gesetzlichen Regelungen in § 3 Abs. 4 und 5 AsylblG (a.F.) - seit 2016 nicht mehr angepasst worden. Zwar sei die Bekanntgabe der Erhöhung nicht im Bundesgesetzblatt erfolgt, dies sei jedoch unschädlich, da sich die Cent-genau Berechnung aus dem Gesetz ergebe. Zudem weiche das BMAS in seiner Antwort der Ausl...