Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft. Ermittlung der Angemessenheit einer Wohnungsgröße. Berücksichtigung von Säuglingen als Haushaltsangehörige bei der Angemessenheitsbewertung
Orientierungssatz
1. Die Beurteilung der Angemessenheit einer Wohnungsgröße im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende erfolgt nicht nach der Anzahl der Zimmer, sondern allein nach der Wohnfläche.
2. Bei der Ermittlung der Angemessenheit einer Wohnungsfläche sind auch Säuglinge bei der Zahl der Haushaltsangehörigen zu berücksichtigen, sodass auch Säuglinge den Flächenbedarf erhöhen.
Tenor
I. Der Bescheid vom 09.04.2018 und der Widerspruchsbescheid vom 28.06.2018 werden aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 17.10.2017 und die Änderungsbescheide vom 23.11.2017, 25.11.2017 und 17.01.2018 mit der Maßgabe abzuändern, dass der Umzug in die Wohnung A-Straße in A. notwendig war.
III. Der Beklagte hat den Klägerinnen deren notwendig entstandene außergerichtliche Kosten zu erstatten.
IV. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Überprüfung der Ablehnung einer Zusicherung zur Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung.
Mit - bestandskräftigem - Bescheid vom 20.10.2017 hat der Beklagte den Antrag der Klägerin zu 1. vom 21.09.2017 auf Zusicherung der Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung in der neuen Wohnung A-Straße, A.., mit der Begründung abgelehnt, der Umzug sei nicht notwendig.
Die Klägerin zu 1. begründete den Antrag damit, dass der Umzug aufgrund der anstehenden Geburt des zweiten Kindes notwendig sei und sich die Wohnung näher an der Wohnung ihrer Mutter befinde.
Diese Gründe gaben aus Sicht des Beklagten keinen Anlass, die Notwendigkeit des Umzuges zu begründen. Die Klägerin zu 1. bewohne eine 3-Raum-Wohnung. Der Umzug soll wiederum in eine 3-Raum-Wohnung erfolgen. Ein Kinderzimmer sei bereits in der bisherigen Wohnung vorhanden.
Der Antrag vom 22.03.2018, den Bescheid vom 20.10.2017 gemäß § 44 SGB X zu überprüfen, wurde durch Bescheid vom 09.04.2018 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28.06.2018 mit der Begründung abgelehnt, es sei nichts vorgebracht worden, das für die Unrichtigkeit der Entscheidung sprechen könnte. Auch ergaben sich diesbezüglich keine neuen Erkenntnisse. Der Beklagte sei daher nicht verpflichtet gewesen, eine Sachprüfung des Bescheides vom 17.10.2017 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23.11.2017, 25.11.2017 und 17.01.2018 vorzunehmen.
Dagegen haben die Klägerinnen über ihren Prozessbevollmächtigten am 16.07.2018 Klage erhoben. Die Klägerin habe ein weiteres Kind erwartet, weshalb der Umzug in eine größere Wohnung erforderlich gewesen sei. Es komme hierbei nicht auf die Anzahl der Zimmer an, sondern auf die größere Wohnfläche.
Mit Schriftsatz vom 27.08.2018 beantragte der Beklagte, die Klage abzuweisen. Die Erforderlichkeit des Umzuges zum 01.12.2017 sei nach wie vor nicht gegeben.
Die Fragen des Gerichts im Schreiben vom 05.09.2018 beantwortete die Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen mit Schriftsatz vom 04.10.2018 dahingehend, dass die neue Wohnung über eine Grundfläche von 73,29 m² verfüge, die bisherige Wohnung, korrigiert mit Schreiben vom 22.10.2018, eine Fläche von 57,61 m².
Mit Schriftsatz vom 22.11.2018 an den Beklagten weist das Gericht darauf hin, dass der Beklagte in eine sachliche Prüfung hätte einsteigen müssen. Als Begründung für den Umzug sei auch die größere Fläche in der neuen Wohnung angegeben worden.
Mit Schriftsatz vom 15.01.2019 verweist der Beklagte darauf, dass sich nach seiner Auffassung durch einen Familienzuwachs kein Anspruch auf eine höhere Wohnfläche ergebe.
Mit Schriftsatz vom 05.02.2019 verweist die Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen darauf, dass für einen 2-Personen-Haushalt eine abstrakt angemessene Wohnfläche von 60 m² gelte, für einen 3-Personen-Haushalt von 75 m².
Mit Schreiben vom 24.09.2019 an den Beklagten weist das Gericht darauf hin, dass auch Säuglinge schon als eine ganze Person zählen. Die Wohnfläche von 57,61 m² in der alten Wohnung unterschreite die angemessene Fläche von 75 bis 80 m² nicht lediglich geringfügig, so dass der Umzug erforderlich gewesen sei.
Mit Schriftsatz vom 21.07.2020 verweist der Beklagte darauf, dass der Platzbedarf für die Aufnahme eines Neugeborenen in eine Wohnung gering sei. Überdies sollte das Kind nach dem Mutterpass voraussichtlich erst zum 26.01.2018 geboren werden. Ein Umzug bereits zum 01.12.2017 sei noch nicht notwendig gewesen.
In der mündlichen Verhandlung am 23.07.2020 schlossen die Beteiligten einen widerruflichen Vergleich mit dem Inhalt, dass der Umzug ab 27.01.2018 als notwendig angesehen wurde.
Diesen Vergleich hat der Beklagte fristgemäß mit Schreiben vom 02.09.2020 widerrufen und um eine gerichtliche Entscheidung gebeten.
Das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung haben der Beklagte mit Schreiben vom 10.09.2020, die Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen mit Schre...