Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Beteiligtenfähigkeit der Arbeitsgemeinschaft nach Kreisgebietsreform in Sachsen. Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Diabetes mellitus. neue Empfehlungen des Deutschen Vereins. antizipiertes Sachverständigengutachten. rückwirkende Anwendung auch vor dem 1.10.2008
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Beteiligtenfähigkeit der Arbeitsgemeinschaften (ARGE) nach der Neugliederung des Gebietes der Landkreise des Freistaates Sachsen durch das Gesetz zur Neugliederung des Gebietes der Landkreise des Freistaates Sachsen (LKrGebNGIG SN).
2. Sowohl bei der überarbeiteten 3. Auflage der Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge eV zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe vom 1.10.2008 als auch bei der Wissenschaftlichen Ausarbeitung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zum Thema: Lebensmittelkosten für eine vollwertige Ernährung handelt es sich um antizipierte Sachverständigengutachten.
3. Die in den Sachverständigengutachten getroffenen Feststellungen finden Anwendung auch auf die Bewilligungszeiträume vor dem 1.10.2008. Denn die Revision medizinischer Erkenntnisse verbietet eine Rückwirkung nicht. Die Gewährung eines besonderen Vertrauensschutzes ist nicht geboten.
Orientierungssatz
Für die bei Diabetes Mellitus Typ II notwendige Ernährung mit "Vollkost" kann ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung gem § 21 Abs 5 SGB 2 nicht gewährt werden.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Bescheides der Beklagten vom 29.11.2006 i. d. G. des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2007. Mit diesem gewährte die Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 30.06.2007, wobei sie keinen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung anerkannte.
1. Die Klägerin bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II seit 01.01.2005. Sie ist ausweislich der ärztlichen Bescheinigungen vom 28.10.2004 (Blatt 30f. der Leistungsakte) und 22.08.2006 (Blatt 79 der Leistungsakte) und 07.12.2006 (Blatt 91 der Leistungsakte) an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus, Typ II erkrankt.
Bis einschließlich zum 31.12.2006 berücksichtigte die Beklagte einen Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter, kostenaufwändiger Ernährung i. H. v. 51,13 EUR (vgl. zuletzt Bescheid vom 15.06.2006, Blatt 75 ff. der Leistungsakte).
Am 28.11.2006 stellte die Klägerin Antrag auf Fortzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab 01.01.2007. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 29.11.2006 bewilligte die Beklagte Leistungen i. H. v. monatlich 613,94 EUR für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 30.06.2007 (Blatt 84 ff. der Leistungsakte). Einen weitergehenden Mehrbedarf - über die Regelleistungen i. H. v. 345,00 EUR hinaus berücksichtigte die Beklagte nicht mehr.
Dagegen richtet sich der Widerspruch vom 15.12.2006, eingegangen bei der Beklagten am 21.12.2006.
Die Klägerin macht weiterhin einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung geltend, um die besondere Ernährung, welche zum Erhalt ihrer Gesundheit erforderlich sei, zu finanzieren. Durch die Streichung sei sie unverschuldet schlechter gestellt, als jemand, der nicht unter Diabetes mellitus, Typ II leide. Da sie schon einen gewissen Eigenanteil der Mietkosten selber trage, führe die Bewilligung der Beklagten zu einer Unterschreitung des Existenzminimums. Im Übrigen sehe sie sich als einen besonderen Härtefall.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 21.03.2007 wies die Beklagte den erhobenen Widerspruch als unbegründet zurück.
Unter Bezugnahme auf Teile der Rechtsprechung und die “Stellungnahme der Deutschen Diabetes Gesellschaft zum Thema Mehraufwand für Diabeteskost„ führt sie aus, die für Diabetes mellitus wissenschaftlich geratene Diät entspreche der allgemein für eine gesunde Ernährung empfohlenen, ausgewogenen Mischkost oder einer zur Gewichtsnormalisierung empfohlenen Reduktionskost, die Mehrkosten nicht entstehen lasse.
Dagegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht vom 20.04.2007.
Die Klägerin führt aus, die Tabelle der Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. (1997) sehe, anders als die Stellungnahme der Deutschen Diabetes Gesellschaft, einen krankheitsbedingten Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung unverändert vor. Von diesem Gutachten sei auch nicht abzuweichen. Im Übrigen argumentiert die Klägerin, mit dem im Regelsatz vorgesehenen Teilbetrag für Ernährung sei eine ausgewogene Mischkost nicht finanzierbar, insbesondere aufgrund der massiven Preissteigerungen bei Vollkornprodukten, Fisch und Gemüse sowie der Tatsache, dass die billig angebotenen Lebensmittel meist wenig Vitamine und sonstige Nährstoffe aufweisen und inzwischen natürlich gewachsenes Obst und Gemüse nur noch als teure “BIO„- ...