Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Genehmigungsfiktion bei nicht rechtzeitiger Entscheidung über einen Leistungsantrag durch die gesetzliche Krankenkasse. Genehmigungsfiktion einer Magenbypass-Operation bei Adipositas
Orientierungssatz
Um eine Genehmigungsfiktion bei nicht fristgerechter Entscheidung über beantragte Leistungen aus einer gesetzlichen Krankenversicherung auszulösen, müssen die beantragten Leistungen lediglich subjektiv erforderlich sein. Das ist bereits dann gegeben, wenn die Leistungen nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen liegen und im konkreten Einzelfall sinnvoll sind (hier: bejaht für eine Magenbypass-Operation).
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 28.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2015 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Magenbypass-Operation als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin eine Magenbypass-Operation zur Verfügung stellen muss.
Die 1965 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin beantragte am 06.06.2014 bei der Beklagten die Kostenzusage für eine Magenbypass-Operation. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) mit einer Begutachtung. Dieser forderte von der Klägerin mit Schreiben vom 20.06.2014 unter Fristsetzung bis zum 03.07.2014 weitere Unterlagen an.
Am 01.07.2014 gab der MDK den Auftrag die Beklagte zurück, da nicht alle Unterlagen vorlagen. Die Klägerin habe angegeben, erst am 09.07.2014 einen Termin erhalten habe, um die angeforderte psychiatrische/psychotherapeutische Stellungnahme zu erhalten.
Mit Schreiben vom 07.07.2014 informierte die Beklagte die Klägerin, dass der MDK die Unterlagen vorerst wieder an sie zurückgegeben habe. Die fehlende psychotherapeutische Stellungnahme solle der Beklagten vorgelegt werden.
Am 19.08.2014 ging das psychosomatische Gutachten des Dr. C. bei der Beklagten ein.
Der MDK kam in seinem Gutachten vom 22.08.2014 zu dem Ergebnis, dass bisher keine konservative Therapie der Adipositas im Sinne einer mindestens sechsmonatigen multimodalen Basis-Therapie erfolgt sei. Die Voraussetzungen für die adipositaschirurgische Maßnahme seien deshalb nicht erfüllt.
Mit Bescheid vom 28.08.2014 lehnte die Beklagte den Antrag ab.
Dagegen legte die Klägerin am 03.09.2014 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, dass ihr morbides Gewicht durch die Bewegungseinschränkung entstanden sei. Mit der Coxarthrose sei ihre Beweglichkeit nun sehr eingeschränkt. Die orthopädische Klinik in Lorsch empfehle keine Hüft-TEP sondern gegebenenfalls eine Magen-OP.
Der MDK hielt in seinem Gutachten vom 24.10.2014 an seiner Einschätzung fest. Es sei medizinisch nicht haltbar, dass die Adipositas bei vernünftiger Ernährung ausschließlich durch einen Bewegungsmangel entstanden sei. Es bestehe keine Kontraindikation zur Durchführung einer mindestens sechsmonatigen multimodalen Therapie.
Am 08.12.2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor, dass eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V eingetreten sei und die Klägerin daraus einen Anspruch auf die beantragte Operation habe.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt ursprünglich schriftlich,
es wird festgestellt, dass der Antrag der Klägerin auf Gewährung einer bariatrischen Operation als Sachleistung vom 6. Juni 2014 gemäß § 13 Absatz 3a Satz 6 SGB V als genehmigt gilt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am 23.04.2015 die Klage in eine Leistungsklage umgestellt und schriftlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin - aufgrund des Eintritts der Genehmigungsfiktion des § 13 Absatz 3a Satz 6 SGB V - eine bariatrische Operation als Sachleistung zu gewähren, dies unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides.
Die Beklagte beantragt schriftlich,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt die Beklagte im Schriftsatz vom 14.07.2015 vor, dass sich die Klägerin die Leistung bislang weder selbst beschafft habe noch diese medizinisch notwendig sei. Es bestehe daher weder ein Leistungs- noch ein Kostenerstattungsanspruch.
Das Gericht hat im März 2016 Befundberichte eingeholt. Frau D., teilt mit, dass sie bei der Klägerin den Verdacht auf eine paranoide Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis gestellt habe mit relativ benignem Verlauf. Differentialdiagnostisch komme eine isolierte anhaltende wahnhafte Störung in Betracht.
Im Rahmen der Anhörung zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid weist die Beklagte darauf hin, dass nicht geklärt sei, ob § 13 Abs. 3a SGB V auf Sachleistungsansprüche anwendbar sei. Hierzu sei noch ein Verfahren beim Bundessozialgericht anhängig. In der Entscheidung vom 08.03.2016 habe das Bundessozialgericht nicht abschließend darüber zu befin...