Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe in anderen Lebenslagen. Übernahme von Bestattungskosten. Tod eines Leistungsberechtigten nach dem SGB 2 während eines Urlaubs im Ausland. örtliche Zuständigkeit. Anwendbarkeit des § 98 Abs 3 SGB 12. Anwendbarkeit des § 98 Abs 1 S 1 SGB 12. teleologische Reduktion bei reinen Auslandssachverhalten
Leitsatz (amtlich)
1. Die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers für Bestattungskosten ergibt sich für frühere Leistungsbezieher nach dem SGB II nicht aus einer analogen Anwendung nach § 98 Abs 3 Alt 1 SGB XII.
2. § 98 Abs 1 S 1 SGB XII ist hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit von Sozialhilfeträgern gegenüber § 98 Abs 3 SGB XII nachrangig anwendbar.
3. § 98 Abs 1 S 1 SGB XII ist für den Fall, dass sowohl der Sterbeort als auch der Ort des Begräbnisses im Ausland liegt, teleologisch zu reduzieren. Eine örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers besteht nach den Gedanken der §§ 98 Abs 3 SGB XII und 24 Abs 1 SGB XII im Anwendungsbereich des § 98 Abs 1 S 1 SGB XII nur, soweit diese Zuständigkeit an die Person des Verstorbenen anknüpft und es sich dabei nicht um einen reinen Auslandssachverhalt handelt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten für die Bestattung des Ehemanns der Klägerin in Kabul.
Der im Jahre 1959 in Kabul geborene Ehemann der Klägerin verstarb 2014 in Kabul / Afghanistan und wurde dort auch bestattet. Die Kosten für die Behandlung des Ehemanns der Klägerin im lokalen Krankenhaus und der sich anschließende Bestattung beliefen sich ungefähr auf 10.000,-€. Die Klägerin konnte diese Kosten mit ihrem monatlichen Gehalt von 500,-€ nicht selbst aufbringen. Sie nahm bei ihrer Tante ein Darlehen i. H. v. 10.000,-€ auf. Der Ehemann der Klägerin bezog zu seinen Lebzeiten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Er hatte mit der Klägerin drei Kinder.
Die Klägerin beantragte am 01.09.2014 bei dem Beklagten die Übernahme von Bestattungskosten nach § 74 SGB XII.
Die Krankenkasse des Klägers lehnte mit Schreiben vom 11.09.2014 die Übernahme der Kosten der Krankenbehandlung i. H. v. 6.387,10 € ab.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26.09.2014 ab. Da in diesem Bescheid ein falscher Name verwendet wurde, lehnte sie den Antrag erneut mit Bescheid vom 06.10.2014 ab. Ihre örtliche Zuständigkeit sei nicht gegeben. Nach § 74 SGB XII sei der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der bis zum Tod der leistungsberechtigten Person Sozialhilfe gewährte. In anderen Fällen sei der Träger der Sozialhilfe zuständig, in dessen Bereich der Sterbeort liege. Da der Ehemann der Klägerin in Kabul / Afghanistan verstorben sei, läge der Sterbeort außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und auch außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des SGB XII.
Zwischenzeitlich wandte sich eine Tochter der Klägerin bereits am 17.09.2014 an das Regierungspräsidium Darmstadt und äußerte ihr Unverständnis über die Entscheidung des Beklagten. Sie verstehe nicht, warum die Kosten für das Begräbnis nicht übernommen werden können, da ihr Vater in Deutschland gemeldet sei, deutscher Staatsbürger sei und sich nur als Tourist in Kabul als seinem Geburtsort aufgehalten habe.
Die Klägerin legte gegen den Ablehnungsbescheid mit Schreiben ihrer früheren Bevollmächtigten vom 06.11.2014, eingegangen am 07.11.2014, Widerspruch ein. Der Bescheid sei rechtswidrig, da die Übernahme von Bestattungskosten im Ausland nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt sei. Es gäbe eine Zuständigkeitslücke, die geschlossen werden müsse. In den Fällen, in denen der Sterbeort nicht in Deutschland liege, sei der Träger der Sozialhilfe am tatsächlichen Aufenthaltsort des Bestattungspflichtigen örtlich zuständig. Die Regelungslücke führe nicht zur Unanwendbarkeit des Sozialgesetzbuches XII. Auch § 24 SGB XII könne nicht zur Aufrechterhaltung der Begründung des Ablehnungsbescheides herangezogen werden. Vielmehr sei der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der gewöhnliche Aufenthalt des Verstorbenen liegen würde.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2015 zurück. Ergänzend zum bisherigen Vortrag führte der Beklagte aus, dass die von der Klägerin aufgeführte Regelungslücke lediglich dann bestehe, sofern die Bestattung in Deutschland vorgenommen werde. Eine solche Regelungslücke bestehe jedoch nicht, da die Bestattung im Ausland vorgenommen wurde.
Die Klägerin erhob mit Schriftsatz ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 20.03.2015 Klage.
Die Darlehensgeberin forderte zwischenzeitlich das gewährte Darlehen zurück.
Die Klägerin behauptet, dass das Darlehen für die Bestattungs- und Krankenbehandlungskosten i. H. v. 10.000,-€ gewährt worden sei. Es seien die erforderlichen Kosten einer Bestattung zu übernehmen. Erforderlich seien die Kosten für ein Begräbnis ortsüblicher einfacher, aber würdiger Art. Die Klägerin behauptet, dass die angefallenen Kosten den in K...