Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft. Anforderung an ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten. Bestimmung der Angemessenheitsgrenze beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts
Orientierungssatz
1. Allein aus der Auswertung von in Tageszeitungen inserierten Mietangeboten oder ähnlicher frei zugänglicher Angebote lässt sich kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten durch einen Träger der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ableiten. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Angebote nicht mindestens 10 Prozent des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes abbilden und zudem nicht nach Wohnungsstandard unterschieden wird.
2. Für die Bestimmung angemessener Unterkunftskosten im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende kann für das Gebiet eines Landkreises nicht auf die Werte eines Mietspiegels zurückgegriffen werden, der lediglich für das Gebiet einer einzelnen in dem Landkreis befindlichen Stadt aufgestellt wurde.
3. Fehlt es an einem schlüssigen Konzept zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten im Rahmen der Grundsicherungsleistungen, kann eine Obergrenze für die Übernahme der Unterkunftskosten aus der Tabelle zu § 12 WoGG abgeleitet werden. Dazu ist als Obergrenze für die Kostenübernahme auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle zuzüglich eines Sicherheitsaufschlags von 10 Prozent abzustellen.
4. Einzelfall zur Ermittlung der Angemessenheit von Unterkunftskosten und Heizkosten bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze.
Tenor
Der Beklagte wird unter Abänderung seines Bescheides vom 16.09.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2010 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.10.2009 bis zum 31.12.2009 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 124,65 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte erstattet dem Kläger 95% seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um höhere Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.10.2009 bis zum 31.12.2009.
Der Kläger bezieht laufend Grundsicherungsleistungen.
Er bewohnt eine ca. 65 qm große Wohnung im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Im streitgegenständlichen Zeitraum belief sich der zu entrichtende Kaltmietzins auf 245,- EUR, die kalten Nebenkosten auf 80,- EUR und die Heizkosten auf 50,- EUR.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.09.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger Grundsicherungsleistungen unter anderem für den Zeitraum vom 01.10.2009 bis zum 31.12.2009 in Höhe von monatlich 639,- EUR. Hierbei berücksichtigte er Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 280,- EUR, errechnet aus einem Kaltmietzins in Höhe von 190,- EUR, kalten Nebenkosten in Höhe von 54,- EUR und Heizkosten in Höhe von 36,- EUR.
Hiergegen erhob der Kläger am 19.09.2009 Widerspruch. Der Beklagte habe seine gesamten Unterkunftskosten zu tragen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Mietzins des Klägers sei unangemessen. Angemessen sei lediglich ein Kaltmietzins von 4,22 EUR/qm.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 26.05.2010 erhobenen Klage, mit der er weiterhin die Übernahme seiner tatsächlichen Unterkunftskosten begehrt.
Das Konzept des Beklagten zur Ermittlung des angemessenen Mietzinses sei nicht schlüssig. Es sei weder ersichtlich, dass die ausgewerteten Daten 10% des regionalen Wohnungsmarktes entsprächen, noch das der Wohnungsstandard entsprechend berücksichtigt worden sei. Angemessener Alternativwohnraum sei zudem nicht vorhanden gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 16.09.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2010 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 01.10.2009 bis zum 31.12.2009 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das angewandte Konzept zur Ermittlung des angemessenen Mietzinses sei schlüssig. Zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete erfasse er seit Jahren die in den Tageszeitungen, im Internet und in allgemein zugänglichen kostenlosen Wurfblättern wie der P, der C und dem E veröffentlichten Wohnungsinserate. Die Inserate würden in Excel-Tabellen aufgenommen. Die Tabellen seien nach der Wohnungsgröße aufgegliedert. Erfasst würden neben dem Anbieter und der jeweiligen Wohnung auch die jeweilige Stadt und - soweit angegeben - die genaue Lage, die Anzahl der Zimmer, die Größe der Wohnung, der Kaltmietpreis, die Nebenkosten, Hinweise zur Ausstattung der Wohnung sowie die Bezugsquelle und das Datum des Inserats. Im Anschluss werde die Summe der Kaltmiete durch die Summe der Wohnungsgröße dividiert. Hieraus ergebe sich der durchschnittlich angemessene Kaltmietpreis. Im Übrigen existiere für die Stadt I ein Mietspiegel. D...