Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. Kosten für Rettungsfahrt. Untersuchung in der Notfallpraxis anstelle einer geplanten Untersuchung in der Notaufnahme. Nichterforderlichkeit einer ärztlichen Verordnung
Orientierungssatz
1. § 60 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB 5 stellt klar, dass die Krankenkasse für Rettungsfahrten zum Krankenhaus auch dann die Kosten übernimmt, wenn eine stationäre Behandlung nicht erforderlich ist. Gleiches muss auch dann gelten, wenn anstelle einer offensichtlich geplanten Untersuchung in der Notaufnahme eines Krankenhauses die erste ärztliche Untersuchung von dem diensthabenden Arzt der Notfallpraxis vorgenommen wird.
2. Im Verhältnis zum Versicherten kann sich die Krankenkasse nicht auf die fehlende Verordnung für die Durchführung einer Krankenfahrt berufen, da § 60 SGB 5 nicht ausdrücklich das Bestehen einer ärztlichen Verordnung voraussetzt.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 22.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2016 verurteilt, dem Kläger die Kosten für den am 24.12.2015 durchgeführten Transport mit dem Rettungstransportwagen in Höhe von 415,18 Euro zu erstatten. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für einen Transport mit dem Rettungswagen.
Der Kläger ist am 00.00.1976 geboren und bei der Beklagten gegen Krankheit versichert.
Er leidet an Diabetes mellitus Typ I. Am 24.12.2015 brach er zu Hause zusammen. Er hatte Kreislaufprobleme. Ihm wurde schlecht und er hatte Schmerzen im linken Arm und schwitzte sehr stark. Die Vermieterin des Klägers fand ihn gegen 19:00 Uhr und alarmierte den Rettungsdienst über die Nr. 112. Die Rettungssanitäter untersuchten den Kläger vor Ort und verbrachten ihn notfallmäßig ins J.-Klinikum in M.
Dort wurde der Kläger - ohne dass er hiervon Kenntnis hatte - an den ambulanten Notdienst, der sich ebenfalls in den Räumlichkeiten der Klinik befindet, weitergeleitet. Warum keine unmittelbare Versorgung in der Zentralen Notaufnahme erfolgte, ist unklar. Fest steht allein, dass der Kläger, der in der Lage war, eigenständig zu laufen, bei Ankunft im J.-Klinikum zur Notfallambulanz geschickt wurde. Die Behandlung wurde dort von Dr. I (Praxis Dr. L, C) durchgeführt und über diesen abgerechnet. Dr. I stellte nach der Untersuchung erneut eine Verordnung für Krankenhausbehandlung aus, woraufhin der Kläger sich wiederum in die Notaufnahme begab. Dort fanden bis 0:30 Uhr weitere Untersuchungen statt. Eine stationäre Behandlung schloss sich nicht an.
Mit Gebührenbescheid der Stadt N vom 14.01.2016 wurde dem Kläger die Fahrt mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus in Rechnung gestellt. Hierfür entstanden Kosten i.H.v. 425,18 EUR. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2016 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass in der Regel die Stadt N die Abrechnung von Krankentransport- und Rettungsdiensteinsätzen unmittelbar mit der Krankenkasse des Patienten vornimmt. Dieses Verfahren werde von den Krankenkassen jedoch nur dann akzeptiert, wenn den Abrechnungsunterlagen die Verordnung einer Krankenbeförderung beigefügt ist. Für die Abrechnung des Einsatzes habe das Rettungsdienstpersonal im Fall des Klägers vermerkt, dass er bei seiner Einlieferung von der Notaufnahme direkt an den kassenärztlichen Notdienst verwiesen worden sei. Die Verordnung einer Krankenbeförderung sei deshalb nicht vom Arzt in der Notaufnahme unterschrieben worden. Vor diesem Hintergrund sei die Abrechnung des Einsatzes mit dem Kläger als Selbstzahler erfolgt.
Der Kläger wandte sich am 18.02.2016 an die Beklagte und bat um Prüfung der Übernahme der Fahrkosten.
Mit Bescheid vom 22.02.2016 wies die Beklagte darauf hin, dass die Kosten nicht übernommen werden können, da keine ärztliche Verordnung für den Transport vorgelegen habe.
Mit seinem Widerspruch machte der der Kläger geltend, dass er zusammengebrochen und deshalb der Notarzt gerufen worden sei. Notfallmäßig sei er ins Klinikum verbracht worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.2016 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, eine vorherige Genehmigung der Fahrt zur ambulanten Behandlung habe nicht stattgefunden. Weder der Notarzt noch der behandelnde Arzt im J.-Klinikum M. habe durch die Ausstellung einer entsprechenden Verordnung die medizinische Notwendigkeit des in Anspruch genommenen Transports bestätigt.
Hiergegen richtet sich die am 15.06.2016 erhobene Klage, mit der der Kläger weiterhin die Erstattung der Kosten für den Einsatz des Rettungstransportwagens verlangt. Offenbar sei er aufgrund eines Organisationsverschuldens im Klinikum von der Notaufnahme heraus an den vertragsärztlichen Notdienst im Klinikum verwiesen worden. Hiervon habe er keine Kenntnis gehabt. Er befand sich räumlich in der Notaufnahme und wurde dort auch notfallmäßig versorgt. Welche Art von Papieren vor Ort ausgefüll...