Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung einer überzahlten Rente
Orientierungssatz
1. Nach § 45 Abs. 2 SGB 10 kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt u. a. dann zurückgenommen werden, wenn der Betroffene dessen Rechtswidrigkeit infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
2. Der in einem Rentenbescheid enthaltene Fehler, für den durchgeführten Versorgungsausgleich einen Zuschlag anstelle des gebotenen Abschlags vorzusehen und hierdurch eine höhere anstelle einer niedrigeren Rente zu bewirken, ist auch ohne Rechtskenntnisse und intensive Befassung mit allen Details des Bescheides erkennbar. In einem solchen Fall ist von dem Vorliegen grober Fahrlässigkeit auszugehen.
3. Aus der nach § 39 Abs. 1 SGB 1 vom Rentenversicherungsträger zu treffenden Entscheidung muss ersichtlich sein, dass der Träger Ermessenserwägungen angestellt hat. Ist ihm ein Mitverschulden bei der Überzahlung anzulasten, so ist dies bei der Reduzierung der Erstattungsforderung angemessen zu berücksichtigen.
Tenor
Die Klagen werden abgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht die Höhe der dem Kläger gewährten Berufsunfähigkeitsrente und Altersrente rückwirkend neu festgestellt hat und die sich hieraus ergebenden Überzahlungen jeweils zur Hälfte in Höhe von 1.127,69 Euro und 15.180,41 Euro, insgesamt in Höhe von 16.308,10 Euro zurückfordert.
Der am 00.00.1942 geborene Kläger ist gelernter Drucker.
Am 17.01.1985 wurde die erste Ehe des Klägers geschieden. Mit Beschluss vom 13.03.1985 übertrug das Amtsgericht Lemgo (Az. 9 F 225/84) von dem bei der Beklagten geführten Versicherungskonto des Klägers Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 174,20 DM auf das Rentenversicherungskonto der geschiedenen Ehefrau des Klägers.
Mit Bescheid vom 20.02.2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit ab 29.12.2000 auf Dauer. Dabei berücksichtigte sie die übertragenen Anwartschaften rentensteigernd zugunsten des Klägers anstatt richtigerweise rentenmindernd.
In Anlage 5 des Bescheides ist ausgeführt:
"Der zugunsten oder zu Lasten des Versicherungskontos durchgeführte Versorgungsausgleich ergibt einen Zuschlag oder Abschlag an Entgeltpunkten. Hierfür werden die für Rentenanwartschaften ermittelten Werteinheiten in Entgeltpunkte umgerechnet. Für die Ehezeit vom 01.06.1968 bis 30.09.1984 sind Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen worden. Die übertragene Rentenanwartschaft ist festgestellt auf monatlich 174,20 DM. Daraus ergeben sich 5,2968 Punkte."
In Anlage 6 des Bescheides ist ausgeführt:
"Die persönlichen Entgeltpunkte für die Ermittlung des Monatsbetrages der Rente ergeben sich, indem die Summe der zu berücksichtigenden Entgeltpunkte mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt wird. An Entgeltpunkten sind zu berücksichtigten
Entgeltpunkte für Beitragszeiten - 54,3797 Punkte, Entgeltpunkte für beitragsfreie Zeiten - 1,0008 Punkte, zusätzliche Entgeltpunkte für beitragsgeminderte Zeiten - 1,6619 Punkte, insgesamt = 57,0424 Punkte,
Zuschlag aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich für die Ehezeit vom 01.06.1968 bis 30.09.1984 + 5,2968 Punkte,
Summe aller Entgeltpunkte = 62,3392 Punkte."
Am 24.08.2001 und 23.05.2002 ergingen Änderungsbescheide zur Höhe der Berufsunfähigkeitsrente.
Mit Bescheid vom 10.09.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersrente für schwerbehinderte Menschen für die Zeit ab 01.10.2002. Am 16.09.2003 erging ein Änderungsbescheid zur Höhe der Altersrente. Die Altersrentenbescheide enthielten in den Anlagen 5 und 6 Ausführungen entsprechend den Ausführungen in den Berufsunfähigkeitsrentenbescheiden.
Bei Rentenantragstellung der ehemaligen Ehefrau des Klägers bemerkte die Beklagte durch eine elektronisch ausgelöste Fehlermeldung vom 03.04.2012, dass im Versicherungskonto des Klägers zu Unrecht eine Begünstigung aufgrund des Versorgungsausgleichs gespeichert war. Am 24.05.2012 forderte die Sachbearbeitung den mikroverfilmten Beschluss des Amtsgerichts Lemgo vom 13.03.1985 an. Mit Schreiben vom 30.05.2012 wies sie den Kläger auf den Sachverhalt hin.
Mit Schreiben vom 07.06.2012 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten teilweisen Rücknahme der Gewährung der Altersrente für die Zeit vom 01.10.2002 bis zum 31.07. 2012 und Erstattung der Überzahlung in Höhe von 30.095,00 Euro an. Nach Stellungnahme durch den Kläger berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 18.07.2012 die Altersrente des Klägers neu und forderte die Erstattung der Hälfte der für die Zeit vom 01.10.2002 bis zum 31.08.2012 entstandenen Überzahlung in Höhe von 15.180,31 Euro. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe die Rechtswidrigkeit des Rentenbescheides aus grober Fahrlässigkeit nicht gekannt. Aus dem Bescheid sei deutlich ersichtlich, dass entgegen der Entscheidung des Amtsgerichts Lemgo aufgrund des Versorgungsausgleichs ein Zuschlag anstelle eines Abschlages gewährt worden sei. Dies habe der Kläger in Kenntn...