Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Angemessenheit der Größe eines im Miteigentum stehenden Wohnhauses. Anrechnung von Vermögen
Orientierungssatz
1. Bei einem Wohnhaus, das im Eigentum eines Empfängers von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende steht, ist auch bei einem alleinstehenden Grundsicherungsempfänger eine Größe von 90 Quadratmetern noch angemessen. Dabei ermittelt sich die dem Grundsicherungsempfänger zurechenbare Fläche bei einem in seinem Miteigentum stehenden Hausgrundstück, das auch von anderen Miteigentümern genutzt wird, an der Größe des gemäß seines ideellen Miteigentums von ihm genutzten Anteils.
2. Bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Wohnraumgröße sind auch die Umstände des Einzelfalls (hier: Altbau mit hohem Anteil von Flurflächen) mit zu berücksichtigen.
3. Einzelfall zur Beurteilung der Verwertbarkeit eines unbebauten Grundstücks im Miteigentum eines Grundsicherungsempfängers (hier: abgelehnt).
Tenor
Der Bescheid vom 26.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2012 wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen für Juli 2012 bis einschließlich September 2012 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) durch den Beklagten aufgrund von vermeintlichem Vermögen in Form eines Miteigentumsanteils an einem Hausgrundstück.
Der Kläger ist 1979 geboren. Er ist zu ½ Miteigentümer eines bebauten Hausgrundstückes in S. Das Hausgrundstück wird vom Kläger selbst sowie von seiner Mutter bewohnt. Das Wohngebäude stammt im Ursprung aus dem Jahr 1909. Die Mutter ist die weitere Miteigentümerin zu ½ des Grundstückes. Ausweislich des Grundbuches hat das Grundstück eine Größe von 3.128 m² und ist als Gebäude- und Freifläche sowie Landwirtschaftsfläche ausgewiesen.
Der Kläger erhielt zuletzt vom 09.04.2010 bis zum 30.09.2010 Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss bewilligt. Einen gestellten Weiterbewilligungsantrag lehnte der Beklagte im Hinblick auf das Grundstück als Vermögen ab. Widerspruch hiergegen erhob der Kläger nicht. Ab dem 30.08.2010 besuchte der Kläger die Fachschule für Technik/Maschinenbautechnik. Während der Schulausbildung finanzierte der Kläger seinen Lebensunterhalt durch einen KfW-Bildungskredit, den Bezug von Wohngeld sowie Unterstützungsleistungen seiner Mutter. Die Schule schloss der Kläger am 29.06.2012 ab.
Am 05.07.2012 beantragte der Kläger erneut Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten. Im Rahmen des Antrages gab er hinsichtlich des Grundstückes an, dass es sich bei der Wohnung um zwei Wohneinheiten handele, seine eigene Wohnung sei 103 m² groß, die gesamte Wohnfläche betrage 200 m². Die Größe des bebauten Grundstücksteiles und des unbebauten Grundstücksteiles gab der Kläger mit jeweils ca. 1.500 m² an.
Mit Bescheid vom 26.07.2012 lehnte der Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld II ab. Dies begründete der Beklagte damit, dass aufgrund des Vermögens in Form des Grundstückes kein Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestünde.
Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 30.07.2012 Widerspruch erhoben. Diesen begründete er damit, dass aus dem Grundstück kein Einkommen erzielt werde. Die dazugehörige Wiese werde durch Tiere eines Nachbarn abgeweidet mit dem Nutzen, dass diese nicht gemäht werden müsse. Er und seine Mutter würden das Grundstück selbst nutzen jeweils in einem eigenen Haushalt. Die frühere Ablehnung aus dem Jahr 2010 habe er hingenommen, da er zu diesem Zeitpunkt bereits in einer schulischen Ausbildung stand. Auch habe er zuvor im April 2010 unter den gleichen Voraussetzungen wie jetzt Leistungen erhalten. Die Wiese würde auch über keine eigene Zufahrt verfügen, daher sei eine getrennte Veräußerung nicht möglich. Auch würde ihm das Grundstück nur zur Hälfte gehören. Ein Darlehn lehne er ab, da hierdurch das Vermögen seiner Mutter mit in Anspruch genommen würde. Eine Beleihung von Haus und Grundstück sei nicht möglich, da Banken Sicherheiten verlangen würden und somit wieder das Vermögen seiner Mutter beteiligt sei. Auch sei die selbstgenutzte Wohnfläche nicht unangemessen. Die Wohnung bestehe aus einer Wohnküche, einem Wohn-/Esszimmer, Schlafzimmer, Bad und einem WC. Teilweise liegen die Räume an dem Flur an dem die Treppe liege, durch die seine Mutter in ihre Wohnung im Obergeschoss gelange. Auch befände sich im Erdgeschoss noch ein Heizungs- und Hauswirtschaftsraum. Das Haus verfüge nur über einen Wasser-/Strom- und Heizungskreislauf.
Dem Widerspruch war eine Wohnflächenberechnung der Stadt S beigefügt. Hiernach verfügt die Wohnung im Erdgeschoss über eine Fläche von insgesamt 114,79 m². Hiervon entfielen auf die Diele 13,9 m², den Abstellraum 8,5 m², den Hauswirtschaftsraum 8,0 m² und den Flur 9,1 m². Auf die eigentlichen Wohnräume des Klägers entfallen insgesamt ...