Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenübernahme für ein Training zur Erlangung lebenspraktischer Fähigkeiten als Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung für einen behinderten Menschen durch den Sozialhilfeträger
Orientierungssatz
1. Ein behinderter Mensch, der blind ist und darüber hinaus an akustischen Wahrnehmungsstörungen leidet, hat nach § 53 SGB 12 im Rahmen der Eingliederungshilfe Anspruch auf Kostenübernahme für ein Training zur Erlangung lebenspraktischer Fähigkeiten als Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung.
2. Liegt ein Ausnahmefall nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB 12 vor, so ist die Trainingsmaßnahme unabhängig vom Einkommen und Vermögen zu gewähren. Das ist dann der Fall, wenn es sich um eine schulische Maßnahme i.S. dieser Vorschrift handelt. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob es sich um einen Lehrinhalt i. S. des Schulrechts handelt. Vielmehr kommt es auf die Bedeutung für die Integration des behinderten Menschen an. Weil die Trainingsmaßnahme in Unterrichtsform Schlüsselqualifikationen vermittelt, auf die jeder Mensch allgemein angewiesen ist, sind deren Kosten ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen des Behinderten vom Sozialhilfeträger zu übernehmen.
Tenor
Der Bescheid vom 02.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.03.2009 wird abgeändert. Der Beklagte wird verpflichtet, die Kosten für das als notwendig anerkannte Training zur Erlangung lebenspraktischer Fähigkeiten (LPF) ohne Anrechnung des Einkommens und Vermögens der Klägerin selbst oder der Eltern der Klägerin zu übernehmen. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Kostenübernahme für ein Training zur Erlangung lebenspraktischer Fähigkeiten (LPF) als Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung ohne Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern.
Die am 00.00.1982 geborene Klägerin ist im Alter von fünf Jahren erblindet und leidet zudem an akustischen Wahrnehmungsstörungen. Sie besucht die Opticus-Schule in C. Dabei handelt es sich um eine Schule für Blinde und Sehbehinderte in Form einer Halbtagsschule. Die zunächst bei der Krankenkasse beantragte Übernahme der Kosten für ein Training zur Erlangung lebenspraktischer Fähigkeiten an der Westfälischen Schule für Blinde in T wurde von dieser am 07.12.2007 mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers oder des Sozialhilfeträgers abgelehnt.
Am 06.02.2008 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme durch das Sozialamt. Dieser Antrag wurde an den Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL) als Träger der Opticusschule weitergeleitet. Der LWL gab den Antrag an den Kreis zurück, da eine medizinische oder soziale Rehabilitation begehrt werde. Vom 11.03.2008 bis zum 19.03.2008 nahm die Klägerin an der Trainingsmaßnahme teil. Mit Bescheid vom 03.07.2008 lehnte der Kreis Minden-Lübbecke die Kostenübernahme unter Hinweis auf die Zuständigkeit der Krankenkasse ab. Am 28.10.2008 wurde dieser Bescheid dann nach § 44 SGB X aufgehoben. Mit Schreiben vom gleichen Tag wurde die Übernahme der Kosten im Rahmen der Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zugesagt und es wurden die für die Bewilligung erforderlichen Unterlagen angefordert. Die Gewährung der Hilfe sei von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen abhängig. Es sei noch die Hilfebedürftigkeit zu prüfen. Die Klägerin lehnte mit Schriftsatz vom 07.11.2008 die Darlegung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse ab, da es um eine schulische Maßnahme gehe, die unabhängig vom Einkommen und Vermögen zu gewähren sei. Mit Bescheid vom 02.12.2008 lehnte der Beklagte die Gewährung der Eingliederungshilfe ab. Zwar habe die Klägerin grundsätzlich Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII. Auch die Notwendigkeit der Durchführung des LPF-Kurses werde im Rahmen der Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft anerkannt. Die Kostenübernahme sei jedoch von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen abhängig. Die Erteilung der erbetenen Angaben sei von der Klägerin ausdrücklich abgelehnt worden. Deshalb seien die Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht aufzuklären gewesen. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Es sei gängige Praxis aller Sonderschulen, die hier im LPF-Kurs angegebenen Lerninhalte anzubieten. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2009 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung wie im Ausgangsbescheid zurück.
Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter.
Sie beantragt,
den Bescheid vom 02.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.03.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin die Kosten des LPF-Trainings, das vom 11.03.2008 bis zum 19.03.2008 durchgeführt wurde, zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die bisherigen Ausführungen.
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte des Verwaltungsverfahrens. Dieser ...