Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. notwendiger Lebensunterhalt während einer Krankenhausbehandlung. abweichende Regelsatzfestsetzung wegen anderweitiger Bedarfsdeckung. Einkommenseinsatz. Einkünfte in Geldeswert. Bewertung von Sachbezügen nach der SvEV
Orientierungssatz
1. Auch während einer Krankenhausbehandlung sind gemäß § 27a Abs 3 S 1 SGB 12 zur Deckung der Regelbedarfe monatliche Regelsätze als Bedarf anzuerkennen.
2. Bei einer Krankenhausbehandlung ist die Gesamtverantwortung des Patienten für die tägliche Lebensführung nicht aufgehoben, sodass es sich bei einem Krankenhaus nicht um eine stationäre Einrichtung im Sinne des SGB 12 handelt.
3. Eine abweichende Regelsatzfestsetzung kommt nicht in Betracht. Der Anwendungsbereich des § 27a Abs 4 S 1 Nr 1 SGB 12 ist nur eröffnet, wenn die anderweitige Bedarfsdeckung ebenfalls durch Leistungen nach dem SGB 12 erfolgt (vgl BSG vom 23.3.2010 - B 8 SO 17/09 R = BSGE 106, 62 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6).
4. Die Leistungen, die jemand während der Behandlung im Krankenhaus erhalten hat, stellen kein Einkommen dar, weil es dafür keinen Marktwert gibt und sie sich daher nicht in Geld tauschen lassen.
5. Die kostenlosen Mahlzeiten in den Krankenhäusern können auch nicht als Sachbezüge in Geld bewertet und dann auf die Leistungen angerechnet werden. § 2 BSHG§76DV und die SvEV sind nur anwendbar, wenn es sich um Sachbezüge im Zusammenhang mit einer nichtselbstständigen Tätigkeit handelt.
Tenor
Der Bescheid vom 07.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2018 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger im Zeitraum 21.07.2017 bis 15.01.2018 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII in Form des Regelsatzes nach der Regelbedarfsstufe 1 unter Anrechnung des Renteneinkommens zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) während des Aufenthaltes in einem psychiatrischen Krankenhaus.
Der im Jahre 1974 geborene Kläger ist psychisch erkrankt. Er bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, die sich ab dem 01.07.2017 auf 169,07 EUR netto belief. Die Rente ist zeitlich befristet, da es nicht unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann. Über weiteres Einkommen und Vermögen verfügte der Kläger im streitigen Zeitraum nicht. Er hatte auch keine eigene Wohnung mehr, da er sich von seiner Ehefrau getrennt hatte und anschließend ausgezogen war.
Der Kläger wurde ab dem 04.07.2017 zunächst in dem psychiatrischen Krankenhaus H IV in C behandelt. Dabei handelt es sich um ein Akutkrankenhaus, in dem die Behandlung typischerweise beginnt, es gibt dort auch geschlossene Stationen bzw. Stationen, die bei Bedarf geschlossen werden können. Ab dem 21.09.2017 wurde er dann im Fachbereich Q behandelt. Dabei handelt es sich ebenfalls um ein psychiatrisches Krankenhaus, dieses ist jedoch offen, d.h. die Patienten können es in ihrer Freizeit auf Wunsch verlassen. Die Behandlung dauert regelmäßig mehrere Monate. Der Kläger wurde dort bis zum 15.01.2018 behandelt. Die Kosten der Behandlung trug die Krankenversicherung des Klägers. Seit dem 16.01.2018 lebt der Kläger in einer stationären Wohngruppe.
Der Betreuer des Klägers beantragte am 21.07.2017 Sozialleistungen bei der Beklagten und teilte mit, dass der Kläger sich derzeit in H IV befinde und nicht mehr in die gemeinsame Wohnung zurückkehren könne.
Die Beklagte lehnte die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII mit Bescheid vom 24.07.2017 ab, da der Kläger eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehe und daher nicht zum leistungsberechtigten Personenkreis gehöre.
Mit Bescheid vom 07.11.2017 lehnte die Beklagte dann auch die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII ab. Der Kläger befinde sich in einer stationären Behandlung, der Lebensunterhalt werde durch die Klinik sichergestellt. Es handele sich um eine stationäre Einrichtung, so dass gem. § 27b SGB XII lediglich ein Anspruch auf den Barbetrag in Betracht komme. Dieser werde durch die Rente i.H.v. § 169,07 EUR abgedeckt, so dass kein Anspruch bestehe.
Der Kläger legte gegen den Bescheid am 07.12.2017 Widerspruch ein. Diesen begründete er damit, dass er nicht in einer stationären Einrichtung lebe. Die Klinik stelle nicht den Lebensunterhalt sicher, es sei im Gegenteil so, dass durch den Klinikaufenthalt noch zusätzliche Kosten entstünden, wie z.B. für Winterkleidung und Fahrkarten.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2018 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII habe. Er sei zwar grundsätzlich leistungsberechtigte, bei der Klinik Q handele es sich um eine stationäre Einrichtung, so dass nur ein Anspruch auf den Barbetrag nach § 27b SGB XII in Betracht komme. Dieser werde durch die...