Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. notwendiger Lebensunterhalt bei Aufenthalt in einer Reha-Klinik. Regelsatz nach § 27a SGB 12 oder Barbetrag nach § 27b SGB 12. Einrichtungsbegriff. Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung
Orientierungssatz
Bei einem Aufenthalt in einer Rehabilitationseinrichtung nach § 107 Abs 2 SGB 5, in der wie in einem Krankenhaus keine Betreuung im Sinne einer Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Patienten übernommen wird, richtet sich der notwendige Lebensunterhalt nicht nach § 27b SGB 12, sondern nach § 27a SGB 12 iVm der Anlage zu § 28 SGB 12.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 17.11.2020 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab dem 01.11.2017 bis zum 03.07.2018 (für die Zeit seines Aufenthalts im I L Institut) höhere Hilfe zum Lebensunterhalt unter Zugrundelegung der Regelbedarfsstufe 1 ohne Anwendung von § 27b SGB XII aber unter Anrechnung des gezahlten Essensgeldes nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Regelleistung für den Lebensunterhalt während des Aufenthalts des Klägers in einer Rehabilitationseinrichtung. Umstritten ist, ob sich der Bedarf des Klägers nach § 27a SGB XII oder nach § 27b SGB XII richtet.
Bei dem am 00.00.1980 geborenen Kläger besteht eine psychische Erkrankung. Nach der Feststellung des Rentenversicherungsträgers ist er seit 1999 voll erwerbsgemindert, jedoch erhält er keine Rente, da er die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Bis Juli 2016 erhielt er Alg II, mit Bescheid vom 14.07.2016 lehnte das Jobcenter Bielefeld die (Weiter)Zahlung von Alg II ab, da der Kläger nicht erwerbsfähig sei. Der Kläger wohnt in einer genossenschaftlichen Wohnung in Bielefeld.
Am 18.07.2016 beantragte der Kläger Hilfe zum Lebensunterhalt, die die Beklagte mit Bescheid vom 27.07.2016 für August 2016 iHv 787,83 EUR bewilligte (404 EUR Regelleistung, 404,50 EUR Unterkunfts- und Heizkosten - 30 EUR bereinigtes Einkommen aus ebay-Verkäufen). Ohne gesonderten Bescheid wurde die Hilfe zum Lebensunterhalt in den Folgemonaten weiterbewilligt.
Mit Bescheid vom 12.09.2017 bewilligte die Barmer dem Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme mit Unterkunft und Verpflegung für zunächst 90 Tage im Institut für Rehabilitation Gütersloh - I L Institut. Seine Wohnung behielt der Kläger bei. Bestandteil dieser Maßnahme war die Durchführung eines Berufspraktikums, Fahrtkosten sind dadurch nicht entstanden. Das Institut stellte dem Kläger ein eingerichtetes Einzelzimmer in einer Wohngruppe zur Verfügung, darüber hinaus konnte der Kläger eine Gemeinschaftsküche und Gemeinschaftsräume nutzen. Übernachten musste der Kläger grundsätzlich in der Klinik, regelmäßig verbrachte der Kläger das Wochenende aber zu Hause. Seine Freizeit durfte er in seiner bisherigen Wohnung verbringen. Eine Essensversorgung fand nicht statt. Die Klinik stellte dem Kläger für die Hauptmahlzeiten einen Betrag iHv 5,70 EUR/Tag zur Verfügung, die dieser mit den anderen Teilnehmern selbst einkaufte und zubereitete. Die Reinigung der Einzelzimmer und der Gemeinschaftsräume erfolgte durch die Teilnehmer. Seine Freizeit organisierte der Kläger selbst. Der Kläger nahm an der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vom 24.10.2017 bis zum 03.07.2018 teil.
Mit Bescheid vom 23.10.2017 hob die Beklagte den Bescheid vom 27.07.2016 gestützt auf § 48 SGB X ab dem 01.11.2017 auf. Der Kläger habe einen veränderten Leistungsanspruch gem. § 27b SGB XII, da er in einer vollstationären Einrichtung untergebracht sei. Er erhalte den Barbetrag zur persönlichen Verfügung, Beiträge zur Kranken und Pflegeversicherung sowie die Kosten der Unterkunft. Mit Bescheid vom 25.10.2017 bewilligte die Beklagte für November 2017 Hilfe zum Lebensunterhalt iHv 694,36 EUR (Regelleistung 110,43 EUR; Unterkunfts- und Heizkosten 404,50 EUR; Krankenversicherungsbeiträge 151,36 EUR; Pflegversicherungsbeiträge 28,07 EUR).
Gegen die Bescheide legte der Kläger - vertreten durch den LWL als Träger der Rehaeinrichtung - am 17.11.2017 Widerspruch ein. Bei dem Aufenthalt im I L Institut handele es sich um einen vorübergehenden Krankenhausaufenthalt und keine Unterbringung in einer Einrichtung iSd § 27b SGB XII. Er kehre regelmäßig in seine Wohnung zurück. Dinge des täglichen Bedarfs, wie Körperpflegeprodukte, Waschmittel, Telefonkosten etc. müssten von ihm selbst getragen werden. Viele Lebenshaltungskosten fielen weiterhin an, die er aus der ungekürzten Regelleistung finanzieren müsse. Lediglich für die Verpflegung sei in der Einrichtung gesorgt.
Nach Beiziehung von Unterlagen über die Klinik wies die Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 24.01.2018 zurück. Bei dem I L Institut handele es sich um eine Einrichtung iSd §§ 13, 27b SGB XII. Damit habe der Kläger für Novemb...