Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung. keine Vereinbarung einer Ausschlussfrist für eine nachträgliche Rechnungskorrektur. keine Ausschlussfristen in der Prüfverfahrensvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vereinbarung einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist zur nachträglichen Rechnungskorrektur innerhalb der gesetzlich normierten vierjährigen Verjährungsfrist bzw innerhalb des von der Rechtsprechung des BSG definierten Zeitraums des Einwendungsausschlusses der Verwirkung (vgl BSG vom 5.7.2016 - B 1 KR 40/15 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 58) ist nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs 2 S 1 KHG gedeckt.

2. Die in § 7 Abs 5 S 1-2 PrüfvVbg iVm § 8 S 1 PrüfvVbg aufgeführten Fristen stellen keine Ausschlussfristen dar.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.877,99 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf 3.877,99 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Zahlungsforderung nach einer Nachkodierung der Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin ist Trägerin des B L I. Dieses ist zur stationären Krankenhausbehandlung gesetzlich Krankenversicherter zugelassen.

In der Zeit vom 02.09.2015 bis zum 22.09.2015 befand sich der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Herr L M (Versicherter) in der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie im Krankenhaus der Klägerin zur Implantation einer Hüftendoprothese links am 03.09.2015. Im postoperativen Verlauf bestand der Verdacht einer Verunreinigung mit Mikrokokus luteus, weswegen der Versicherte ab dem 15.09.2015 dreimal täglich mit dem Medikament Clindamycin 600 mg behandelt wurde. Am 22.09.2015 wurde der Versicherte in die ambulante Nachbehandlung mit der Empfehlung zur Fortführung der medikamentösen Behandlung zur Prophylaxe für sechs Wochen entlassen. Für den stationären Aufenthalt stellte die Klägerin der Beklagten am 14.10.2015 unter der DRG I47B (Revision oder Ersatz des Hüftgelenkes ohne komplizierende Diagnose, ohne Arthrodese, ohne äußerst schwere CC, Alter höher als 15 Jahre, ohne komplizierenden Eingriff) einen Betrag in Höhe von 7.997,47 EUR in Rechnung. Die Beklagte beglich diesen Betrag zunächst vollständig.

Mit Prüfanzeige vom 30.10.2015 leitete die Beklagte sodann ein Prüfverfahren durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) unter der Fragestellung: “War die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer medizinisch begründet? Warum hat die Krankenhausbehandlung über die obere Grenzverweildauer angedauert?„, ein. Mit Gutachten vom 21.12.2015 kam dieser zu dem Ergebnis, dass die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer begründet gewesen sei. Zudem bestätigte der MDK das Auffinden eines Keims im präoperativen Abstrich. Unter Bezugnahme auf das Gutachten bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 11.01.2016 gegenüber der Klägerin die Korrektheit der Abrechnung.

Unter dem 11.02.2016 erstellte die Klägerin eine neue Schlussrechnung unter der DRG I03B (Revision oder Ersatz des Hüftgelenks mit komplexer Diagnose oder Arthrodese oder Alter ≪ 16 Jahre oder beidseitige oder mehrere gr. Eingriffe an Gelenken der unteren Extremitäten mit komplexem Eingriff, ohne äußerst schwere CC, ohne mehrzeit. Wechsel, ohne Eingriff an mehreren Lokalisationen) in Höhe von 11.875,46 EUR. Die Neukodierung sei erforderlich, da in der vorherigen Abrechnung die Nebendiagnosen M00.95/B96.8! (Infektiöse Arthritis ohne nähere Angaben Hüfte (Hüftgelenk)/Sonstige näher bezeichnete Bakterien als Ursache von Krankheiten, die in den anderen Kapiteln klassifiziert sind) vergessen wurden.

Mit Schreiben vom 22.02.2016 lehnte die Beklagte die Nachkodierung ab, da diese nach § 7 Abs. 5 SS. 1-2 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) nicht mehr zulässig sei. Mit Schreiben vom 26.02.2016 verwies die Klägerin darauf, dass die Neuberechnung zulässig sei, da die Fünf-Monats-Frist der Prüfverfahrensvereinbarung und die Jahresfrist der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eingehalten seien. Zudem enthalte die Prüfverfahrensvereinbarung keine Ausschlussfrist. Zu einer weiteren Vergütung kam es in der Folge nicht.

Mit der am 18.04.2016 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung der noch offenen Vergütung unter der DRG I03B in Höhe von 3.877,99 EUR weiter. Die Nachkodierung sei medizinischen gerechtfertigt, da die Infektion des Hüftgelenks durch den nachgewiesenen Erreger Mikrokokkus luteus erfolgt sei und eine Behandlung mit Clindamycin eingeleitet wurde. Die Nachforderung sei zulässig und auch nicht verwirkt, weil sie innerhalb eines Jahres nach Erteilung der ersten Schlussrechnung erfolgt sei und es sich nicht um einen Bagatellbetrag handle. Auch sei die Fünf-Monats-Frist nach § 7 Abs. 5 PrüfvV eingehalten. Diese gelte auch weiter, wenn die MDK-Prüfung abgeschlossen...

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