Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerspruchsverfahren. Kostenübernahme. Rentenversicherungsträger. Veranlassungsprinzip
Orientierungssatz
Die Kosten für das Widerspruchsverfahren sind dem Grunde nach dann zu übernehmen, wenn der Widerspruch zwar erfolglos war, der Versicherungsträger jedoch das Widerspruchsverfahren veranlasst hat. Hat die Behörde aus der für die Auslegung des Bescheides maßgeblichen Sicht des Adressaten Anlass für die Einlegung des Widerspruchs gegeben, weil andernfalls die Bestandskraft eines möglicherweise belastenden Verwaltungsaktes drohte, so sind ihr die notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens aufzuerlegen (vgl LSG Essen vom 14.11.2007 - L 19 B 28/07 AL = Breith 2008, 277).
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten des Widerspruchsverfahrens.
Der Klägerin war auf ihren Antrag vom 05.04.2000 mit Bescheid vom 10.05.2000 eine Regelaltersrente bewilligt worden. Hiergegen erhob sie Widerspruch und begehrte eine höhere Bewertung der ersten Berufsjahre im Hinblick auf die Höhe der auszuzahlenden Rente. Das Widerspruchsverfahren wurde wegen gleichzeitig anhängiger Musterverfahren einvernehmlich zum Ruhen gebracht. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.2008 mit der Begründung zurück, dass das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 27.02.2007, Az. 1 BvL 10/00, entschieden habe, dass der rentenrechtlichen Bewertung der ersten Berufsjahre nach dem Gesetz zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (WFG) vom 25.09.1996 keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenstehen. Entsprechend sei die Feststellung der Rentenhöhe im Rentenbescheid nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid entspreche der geltenden Rechtslage. Die Kostenentscheidung beruhe auf § 63 SGB X. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens hätten nicht übernommen werden können, da der Widerspruch nicht erfolgreich gewesen sei.
Die hiergegen am 14.01.2008 erhobene Klage richtet sich ausschließlich gegen die Kostenentscheidung. Nach Auffassung der Klägerin sei die Beklagte gehalten gewesen, einen Vorbehalt wegen der anhängigen Musterverfahren zur Frage der Bewertung der ersten Berufsjahre in den Rentenbescheid aufzunehmen. Da dieses nicht erfolgt sei, habe sie gezwungener Maßen Widerspruch erheben müssen, um einen drohenden Rechtsverlust zu vermeiden. Aus der Überlegung des Veranlassungsprinzips heraus sei es nicht nachvollziehbar, warum sie die Kosten des unnötigen Widerspruchsverfahrens allein tragen solle.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 10.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2008 hinsichtlich der Kostenentscheidung aufzuheben und der Beklagten die Kosten des Widerspruchsverfahrens aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die getroffene Entscheidung für rechtmäßig und verweist ergänzend auf die Begründung des Widerspruchsbescheides.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes im Übrigen einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, der Klägerin eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten zuzusprechen.
Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist.
Allerdings darf nicht nur auf das Ergebnis des Widerspruchsverfahrens abgestellt werden, sondern es ist auch das so genannte Veranlassungsprinzip heranzuziehen. Entsprechend kann die Kammer auch den Anlass für die Widerspruchserhebung berücksichtigen. Die Kosten für das Widerspruchsverfahren sind dem Grunde nach dann zu übernehmen, wenn der Widerspruch zwar erfolglos war, der Versicherungsträger jedoch das Widerspruchsverfahren veranlasst hat (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, Rdnr. 12 b m. w. N.). Hat die Behörde aus der für die Auslegung des Bescheides maßgeblichen Sicht des Adressaten Anlass für die Einlegung des Widerspruchs gegeben, weil andernfalls die Bestandskraft eines möglicherweise belastenden Verwaltungsaktes drohte, so sind ihr die notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens aufzuerlegen (so auch Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.11.2007, Az.: L 19 B 28//07 Al).
Vorliegend hat die Beklagte Anlass zur Widerspruchserhebung gegeben, da der Rentenbescheid nicht den Vermerk der Vorläufigkeit enthielt, weil nicht auf die noch ausstehende Rechtsprechung des Bundessozial- und Bundesverfassungsgerichts verwiesen wurde. Die Beklagte hat es unterlassen, darauf hinzuweisen, dass der Sachverhalt der Bewertung der ersten Berufsjahre noc...