Entscheidungsstichwort (Thema)
bedarfsorientierte Grundsicherung. behinderter Mensch. kostenloses Mittagessen in einer Werkstatt für behinderte Menschen. keine Berücksichtigung als Einkommen
Orientierungssatz
Zur Frage, ob der Wert des von einem Bezieher von Leistungen nach dem GSiG in Anspruch genommenen kostenlosen Mittagessens, dass er in einer Werkstatt für behinderte Menschen erhält, im Rahmen der ihm gewährten Leistungen als anrechenbares Einkommen berücksichtigt werden darf.
Tenor
Die Bescheide vom 22. Oktober 2004, 15. November 2004 und 23. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Dezember 2004 werden teilweise aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für November und Dezember 2004 weitere 45,00 Euro monatlich zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begeht höhere Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (GSG).
Der 1985 geborene Kläger wohnt im Haushalt seiner Eltern. Er arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen und erhält dort ein kostenloses Mittagessen. Mit Bescheid vom 22. Oktober 2004 wurden dem Kläger ab November 2004 Leistungen nach § 3 GSiG gewährt. Dabei wurde der monatliche Leistungsbetrag wegen des Mittagessens um 45,00 Euro vermindert angesetzt. Zur Begründung führte die Beklagte im wesentlichen aus, das Mittagessen stelle einen Wert von 2,50 Euro pro Tag dar, bei 18 Arbeitstagen im Monatsdurchschnitt ergebe sich ein anzurechnender Betrag von 45,00 Euro pro Monat.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die Anrechnung des Mittagessens sei nicht rechtens. Ein kostenloses Mittagessen sei kein bei ihm zu berücksichtigendes Einkommen. Mit Bescheiden vom 15. November 2004 und 23. November 2004 wurden die Leistungen für November und Dezember wegen Änderungen bei den Unterkunftskosten neu geregelt. Es wurden weiterhin 45,00 Euro für das Mittagessen angerechnet.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 2004 zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte im wesentlichen aus, bei der Ermittlung des Bedarfs an Grundsicherung verweise § 3 GSiG auf die Regelungen des zweiten Abschnitts des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Es sei nicht ersichtlich, dass aber gerade die Anpassung des Regelsatzes nach oben oder nach unten im Einzelfall keine Anwendung finden solle. Der Bedarf des Klägers sei durch das kostenlose Mittagessen geringer. In seinem Regelsatz seien 50% für Ernährung und davon 40 % für das Mittagessen enthalten. Bei der Ermittlung der Bedarfsdeckung durch das Mittagessen finde eine Orientierung an dem Betrag statt, der bei Gewährung von Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) als Kostenbeitrag für ein Mittagessen angesetzt werde. Das seien pro Mittagessen 2,50 Euro.
Daraufhin hat der Kläger am 13. Januar 2005 Klage erhoben.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide vom 22. Oktober 2004, 15. November 2004 und 23. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Dezember 2004 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für November und Dezember 2004 weitere 45,00 Euro monatlich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung zuzulassen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Auch bei Leistungen nach dem GSiG sei der Regelsatz nach den Bedarfsdeckungsgrundsätzen des § 22 BSHG nach oben oder unten zu bemessen. § 3 GSiG verweise allgemein auf die Regelungen des 2. Abschnitts des BSHG, auch auf § 22 BSHG. Wegen einer Vielzahl von ähnlichen Fällen, die sich im Widerspruchsverfahren befänden, möge die Berufung zugelassen werden.
Die Eltern des Klägers sind als Zeugen vernommen worden. Sie haben bekundet, sie hätten den Kläger, wenn er kein kostenlosen Mittagessen in der Werkstatt erhalten hätte, kostenlos verpflegt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Streitakte und die Verwaltungsakten der Beklagten, derer Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Die nach dem Bescheid vom Oktober 2004 ergangenen Bescheide sind Gegenstand des Vorverfahrens und Widerspruchsbescheides geworden.
Die Klage ist auch begründet.
Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert.
Zu Unrecht hat die Beklagte auf die Leistungen der Grundsicherung einen Betrag für das Mittagessen angerechnet.
Zunächst einmal irrt die Beklagte, dass sie bei § 3 GSiG einen geminderten Bedarf des Klägers wegen des Mittagessens zu Grunde legen kann. § 3 GSiG verweist in Abs. 1 Nr. 1 nicht generell auf den 2. Abschnitt des BSHG. § 3 Abs. 1 Nr. 1 GSiG besagt nur, dass für den Berechtigten der maßgebliche Regelsatz nach dem 2. Abschnitt des BSHG zuzüglich 15 % zu Grunde zu legen ist. Das GSiG regelt keine konkret bedarfsdeckende Leistung, sondern eine bedarfsorientierte Grundsicherung. Eine individuelle Bedarfsfestste...