Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Wechsel der Mietwohnung. doppelte Mietbelastung. Angemessenheit und Notwendigkeit der Umzugskosten. Selbsthilfe
Orientierungssatz
1. Die durch einen Umzug übergangsweise entstandenen doppelten Mietbelastungen zählen zu den Wohnungsbeschaffungskosten nach § 22 Abs 3 S 1 SGB 2.
2. Der Anspruch auf Übernahme der Umzugskosten nach § 22 Abs 3 S 1 SGB 2 beschränkt sich auf die notwendigen und angemessenen Kosten.
3. Aus § 22 Abs 3 S 1 SGB 2 folgt nicht, dass der Grundsicherungsträger verpflichtet ist, die Kosten eines Umzugs durch eine professionelle Speditionsfirma zu übernehmen. Der Umzug ist grundsätzlich in eigener Regie durchzuführen. Lediglich ausnahmsweise, wenn Selbsthilfe zB aus gesundheitlichen Gründen, wegen des Alters oder einer Behinderung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können die Kosten eines Umzugs durch eine professionelle, gewerbliche Umzugsfirma übernommen werden, wobei vor dem Umzug in der Regel mehrere Kostenvoranschläge von verschiedenen Umzugsfirmen einzuholen sind.
4. Der Umfang der Erstattung von Umzugskosten liegt im pflichtgemäßen und bei Vorliegen einer Zusicherung nach § 22 Abs 3 S 2 SGB 2 gebundenem Regel-Ermessen der Behörde. Im Rahmen der Selbsthilfe sind daher die notwendigen Kosten für Packen, Transport, Versicherung, Benzin sowie eine Pauschale für Mehraufwendungen für mithelfende Familienangehörige oder Bekannte anzuerkennen.
5. Die Umstände des jeweiligen Einzelfalles sind hinsichtlich des individuellen Kostenumfangs und damit der Angemessenheit der Umzugskosten zu berücksichtigen. Auf die Festlegung von Pauschalen kann sich der Grundsicherungsträger daher nicht berufen.
6. Die Erstattung von Kosten für studentische Hilfskräfte, die als Umzugshelfer eingesetzt werden, entspricht den Grundsätzen des SGB 2, dass lediglich Hilfe zur Selbsthilfe gewährt werden kann und der Hilfebedürftige seiner Obliegenheit zur Ausschöpfung der zumutbaren Möglichkeiten zur Verringerung des Hilfebedarfs nachkommt.
7. Der Umzug eines 3-Personen-Haushaltes, dessen Haushaltsmitglieder weder über einen Pkw noch über eine Fahrerlaubnis verfügen, kann mit Hilfe von zwei studentischen Hilfskräften als Umzugshelfer sowie einer studentischen Hilfskraft als Umzugswagenfahrer und zusätzlicher Umzugshelfer durchgeführt werden.
Tenor
I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin weitere Umzugskosten in Höhe von 306,49 € zu zahlen.
II. Im Übrigen wird der einstweilige Rechtsschutzantrag abgewiesen.
III. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin deren notwendige außergerichtliche Kosten in Höhe von einem Fünftel (1/5) zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Bewilligung von Umzugskosten.
Die 1967 geborene, ledige, arbeitsfähige, nicht kranke und nicht behinderte Antragstellerin ist Mutter zweier 1991 und 1993 geborener, lern- jedoch nicht körperbehinderter Kinder und steht bei der Antragsgegnerin seit 1. Januar 2005 im Leistungsbezug nach dem SGB II. Sie verfügt weder über eine Fahrerlaubnis noch einen Pkw. Sie bewohnt derzeit eine 4-Raumwohnung mit einer Mietfläche von 83 m² in der 9. Etage im Mietshaus, das über einen Aufzug verfügt, auf der St. P. Straße in D. zum Gesamtwarmmietpreis in Höhe von 534,50 €. Nach polizeilicher Wegweisung des Lebensgefährten sowie familiengerichtlich angeordneter Zuweisung der Wohnung an die Antragstellerin zur alleinigen Nutzung nach dem Gewaltschutzgesetz beabsichtigt die Antragstellerin in eine 3-Raumwohnung mit einer Mietfläche von 65 m² in der 6. Etage im Mietshaus, das über keinen Aufzug verfügt, auf der Sch.straße in D. zum Gesamtwarmmietpreis in Höhe von 360,00 € umzuziehen.
Nach Anfrage der Antragstellerin teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Bescheid vom 14. Juni 2005 mit, dass die Aufwendungen für die beabsichtigte neue Wohnung angemessen seien und der Umzug aus der Sicht der Antragsgegnerin erforderlich sei. Mit dem Bescheid vom 14. Juni 2005 erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin des Weiteren die Zusicherung, im Rahmen des § 22 Abs. 3 SGB II die Wohnungsbeschaffungskosten, Mietkautionen und Umzugskosten zu übernehmen, sofern keine Selbsthilfemöglichkeiten gegeben seien. Daraufhin schloss die Antragstellerin am 16. Juni 2005 den Mietvertrag für die neue Wohnung, mit Mietbeginn zum 16. Juli 2005, ab.
Am 20. Juni 2005 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin schriftlich u.a. die Übernahme der Umzugskosten. In der Zeit vom 23. Juni 2005 bis 30. Juni 2005 holte die Antragstellerin bei 4 Firmen, die professionelle Umzüge durchführen, Kostenvoranschläge für den beabsichtigten Umzug ein. Diese Kostenvoranschläge weisen Umzugskosten in Höhe von 2.500,00 €, 2.969,02 €, 3.051,96 € und 3.132,00 € für Umzugsgut mit einem Gesamtvolumen zwischen 40 m³ und 43 m³, inklusive Möbeldemontage und Möbelmontage sowie Bereitstellung von Umzugskartonagen und Kosten für Ausnahmegenehmigungen zum Par...