Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistungen. Grundleistungen. Anspruchseinschränkung. Ablehnung des Asylantrags als unzulässig wegen Zuständigkeit eines anderen Staates für die Durchführung des Asylverfahrens. Erforderlichkeit eines pflichtwidrigen Verhaltens des Leistungsberechtigten. Verweilen im Bundesgebiet trotz Kenntnis über die Möglichkeiten zur Vermeidung einer Anspruchseinschränkung. Belehrung unter Fristsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

Im Wege einer teleologisch-systematischen Reduktion der Vorschrift des§ 1a Abs 7 S 1 AsylbLG ist als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu fordern, dass ein pflichtwidriges Verhalten des betreffenden Leistungsberechtigten gegeben ist. Dies wiederum beinhaltet, dass mit Fristsetzung auf die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise zur Vermeidung leistungsrechtlicher Konsequenzen hingewiesen wird (Anschluss anLSG München vom 31.5.2023 - L 8 AY 7/23 = ZFSH/SGB 2023, 528 = juris RdNr 46).

 

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 22. Februar 2024 gegen den Bescheid vom 14. Februar 2024 wird angeordnet.

II. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Anspruchseinschränkung hinsichtlich der Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Der 2002 geborene Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger. Er reiste am 18. Juni 2023 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Mit Bescheid vom 8. Januar 2024 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Italien sei auf Grund der dort erfolgten illegalen Einreise für die Behandlung des Asylantrages zuständig.

Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 8. Januar 2024 Leistungen nach § 3 AsylbLG in Höhe von monatlich 460 € für den Zeitraum Februar bis Juli 2024. Der Antragsgegner hörte den Antragsteller mit Schreiben vom 30. Januar 2024 zu einer beabsichtigten Leistungseinschränkung nach§ 1a Abs. 7 AsylbLG an. Der Asylantrag des Antragstellers sei unzulässig, da Italien für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Bis zu seiner Ausreise bzw. Abschiebung bestehe kein Anspruch auf Leistungen nach§§ 2 ,3 und6 AsylbLG mehr. Der Antragsgegner beabsichtige, dem Antragsteller Leistungen gemäߧ 1a Abs. 7 AsylbLG als Sachleistungen bzw. unter Vorbehalt der Barleistung zu erbringen. Der Antragsteller erhalte Gelegenheit, sich zu dem Sachverhalt zu äußern.

Der Antragsteller erklärte, dass er zu keinem Zeitpunkt aufenthaltsbeendende Maßnahmen behindert habe. Diese seien auch nicht versucht worden. Ein zumutbares pflichtwidriges Verhalten liege nicht vor. Er sei zu keinem Zeitpunkt über die Pflicht zur freiwilligen Ausreise belehrt worden und habe nicht gewusst, dass sein Asylantrag in Deutschland unzulässig sei. In Italien habe er keinen Asylantrag gestellt.

Mit Bescheid vom 14. Februar 2024 änderte der Antragsgegner den Bescheid vom 8. Januar 2024 ab und bewilligte dem Antragsteller für März bis Juli 2024 gemäߧ 1a Abs. 7 AsylbLG monatlich 242 €. Der Antragsteller erhob mit Schreiben vom 22. Februar 2024 Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.

Der Antragsteller hat am 23. Februar 2024 vor dem Sozialgericht Dresden die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Er trägt im Wesentlichen vor, eine Leistungseinschränkung wäre zulässig, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen wegen seinerseits zu vertretenden Gründen nicht durchgeführt werden könnten. Er habe diese zu keinem Zeitpunkt behindert und sie seien auch nicht versucht worden. Er verweist auf einen Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts. Die Voraussetzungen der maßgeblichen Tatbestände des§ 1a Abs. 7 AsylbLG lägen bei ihm nicht vor.

Der Antragsteller beantragt:

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Bescheid über die Gewährung von Leistungen gemäߧ 1a AsylbLG vom 14. Februar 2024 aufzuheben und dem Antragsteller Leistungen nach§ 3 AsylbLG ab Antragstellung beim Sozialgericht Dresden zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er verweist auf die Ausführungen im Bescheid vom 14. Februar 2024 und im Bescheid des BAMF vom 8. Januar 2024. Das Bayerische Landessozialgericht überschreite bereits prinzipiell die Grenzen einer rechtlich zulässigen Auslegung eines Gesetzestextes, hier in Form der teleologischen Reduktion. Der Antragsteller sei durch das Anhörungsschreiben vom 30. Januar 2024 hinlänglich und ausreichend darüber informiert gewesen, dass die Leistungskürzung im Zusammenhang mit der nicht vorgenommenen Ausreise bzw. Abschiebung erfolge. Auf Seite 18 des Bescheides des BAMF vom 8. Januar 2024 werde der Antragsteller auf die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise hingewiesen.

Wenn demnach dem Antragsteller im Anhörungsschreiben vom 30. Januar 2024 explizit mitgeteilt worden sei,...

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