Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Verweigerung der Beantragung einer russischen Rente. Rechtswidrigkeit der Versagung bzw Entziehung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Bedarfsgemeinschaft ohne weitere Prüfung. Übergang der Antragsbefugnis auf den Grundsicherungsträger
Orientierungssatz
Zur Versagung von Leistungen nach dem SGB 2, wenn der Leistungsempfänger sich weigert, eine Rente im Ausland zu beantragen.
Tenor
1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung dazu verpflichtet, den Antragstellern vorläufig monatliche Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II in Höhe von 400,06 € für den Monat März 2014 und 706,00 € für die Monate April 2014 bis einschließlich Juli 2014
zu zahlen.
2. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu tragen.
Gründe
I. Die 1951 und 1952 geborenen, erwerbsfähigen Antragsteller begehren bei sachdienlicher Auslegung mit Ihrem Eilantrag vom 13.3.2014 die Zahlung des ihnen zustehenden Regelbedarfs nach dem SGB II in Höhe von monatlich 706,- €.
Die Antragsteller sind sowohl russische als auch deutsche Staatsangehörige.
Die Antragstellerin zu 2) und ihr Ehemann, der Antragsteller zu 1), kamen 1997 in die Bundesrepublik Deutschland. Die Antragstellerin zu 2) ist Spätaussiedlern (§ 4 des Bundesvertriebenengesetzes). Ihre Rentenansprüche in der Russischen Föderation wurden aufgrund des Fremdrentengesetzes übergeleitet. Die Rentenansprüche des Antragstellers zu 1) in der Russischen Föderation wurden nicht nach dem Gesetz übergeleitet, weil dieses auf Ehegatten von Spätaussiedlern nicht angewendet werden kann.
Zuletzt besuchten die Antragsteller die Russische Föderation vor 12 Jahren. Der Antragsteller zu 1) macht zudem glaubhaft, gesundheitlich eingeschränkt zu sein. Über eine Schwerbehinderung ist noch nicht entschieden. Am 21.10.2013 beantragten die Antragsteller im Generalkonsulat der Russischen Föderation in Leipzig die Entlassung aus der russischen Staatsbürgerschaft. Über den Antrag ist ebenfalls noch nicht entschieden.
Die Antragsteller erhalten fortlaufend seit 2005 vom Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II.
Zuletzt beantragten die Antragsteller am 16.12.2013 die Fortzahlung von Leistungen für den Leistungszeitraum ab dem 1.2.2014. Bereits am 7.8.2013 hatte der Antragsgegner den Antragsteller zu 1) dazu aufgefordert, die vollständigen Rentenauskünfte beider Antragsteller und Nachweise über eventuelle Rentenansprüche und Bezüge im Herkunftsland einzureichen. Die Antragsteller legten daraufhin Renteninformationen der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland vor. Am 16.8.2013 schrieb der Antragsgegner den Antragsteller zu 1) erneut an und wies darauf hin, dass eigentlich Anspruch auf russische Rente bestehen müsste. Der Antragsteller zu 1) wurde aufgefordert, diese vorrangige Leistung bei der zuständigen Stelle in Dresden oder beim Generalkonsulat der Russischen Föderation in Leipzig zu beantragen oder aber einen entsprechenden Nachweis darüber vorzulegen, dass er keine Ansprüche aus dem Herkunftsland habe. Auf die Folgen fehlender Mitwirkung wies der Antragsgegner hin. Die Antragsteller legten daraufhin eine bestätigte Übersetzung aus der russischen Sprache vor, wonach die Antragsteller beim Rentenfonds der Russischen Föderation keine Rente und sonstigen Sozialleistungen beziehen würden. Es seien keine Rentenanträge registriert. Am 19.11.2013 erinnerte der Antragsgegner an die Aufforderung zur Mitwirkung vom 16.8.2013.
Am 27.11.2013 schrieben die Antragsteller an den Antragsgegner, dass sie einen Rentenantrag in Russland nicht stellen könnten, da beide einen Antrag auf Austritt aus der russischen Staatsbürgerschaft gestellt hätten. Die Antragstellerin zu 2) habe bei der Deutschen Rentenversicherung einen Antrag auf Gewährung von Altersrente für Frauen mit gewünschtem Rentenbeginn 1.3.2014 gestellt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 23.12.2013 abgelehnt.
Aus einem Aktenvermerk über ein persönliches Gespräch am 5.12.2013 ergibt sich, dass die Antragstellerin zu 2) beim Antragsgegner erklärt hatte, dass die Beantragung einer russischen Rente sehr aufwändig sei, weil man überall persönlich vorsprechen müsse. Dies sei aufgrund der Situation der Eheleute sehr belastend. Deshalb sei auch der Antrag auf Entlassung aus der russischen Staatsbürgerschaft gestellt worden.
Mit dem vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 28.1.2014 wurden den Antragstellern sodann vorläufige Leistungen der Grundsicherung für den Leistungszeitraum vom 1.2.2014 bis 30.4.2014 in Höhe von 437,94 €, das heißt für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung bewilligt. Als Grund für die vorläufige Entscheidung ist angeführt: „fehlender Nachweis zur Rentenantragstellung, Bewilligung in Verbindung mit der Versagung der Regelbeträge beider Eheleute“. Die Überweisung der Kosten der Unterkunft erfolge direkt an den Vermieter.
Gleichzeitig erließ der Antragsgegner am 28.1.2014 ein Versagungs- und Entziehungsbe...