Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit des § 131 Abs 5 SGG auf die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage
Leitsatz (amtlich)
§ 131 Abs 5 SGG ist auch in den Fällen der kombinierten Anfechtungs- und Leistungs- oder Verpflichtungsklage anwendbar und nicht auf reine Anfechtungsklagen beschränkt.
Tenor
I. Der Widerspruchsbescheid vom 13.04.2005 wird aufgehoben.
Der Beklagten wird aufgegeben, nach Aufklärung des Sachverhalts über den Widerspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung einer stationären Vorsorgemaßnahme neu zu entscheiden.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Vorsorgemaßnahme.
Am 02.11.2004 beantragte der 1997 geborene Kläger unter Vorlage eines Vorschlages seines behandelnden Facharztes für Kinderheilkunde eine stationäre Maßnahme zur Vorsorge, mit dem Ziel, eine Verschlimmerung der bestehenden Adipositas und Ernährungsstörung zu vermeiden. Beigefügt war ein Befund der Adipositassprechstunde des Universitätsklinikums D vom 04.11.2003, beruhend auf einer Untersuchung vom 20.05.2003, in dem mitgeteilt wird, dass der Kläger in das komplexe Adipositasschulungsprogramm K aufgenommen worden sei, das sich voraussichtlich über 18 Monate erstreckt. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 23.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.04.2005, gestützt auf Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ab, weil die ambulanten Behandlungsmaßnahmen noch nicht ausgeschöpft seien. Hiergegen richtet sich die am 13.05.2005 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage, mit welcher der Kläger weiterhin einen Anspruch auf Gewährung einer stationären Maßnahme verfolgt. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte und auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht kann über den Rechtsstreit gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten keine Gründe vorgetragen haben, die einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegen stehen würden.
Die Klage ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Widerspruchsbescheids ohne Entscheidung in der Sache gemäß § 131 Abs. 5 Satz 1 und 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) begründet. Nach diese Vorschrift kann das Gericht, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist.
Die Vorschrift ist - entgegen der von der Beklagten für sich in Anspruch genommenen Kommentierung bei Mayer-Ladewig SGG § 131 Rn. 18 - auch im Rahmen der kombinierten Anfechtungs- und Leistungs- oder Verpflichtungsklage anwendbar und nicht auf reine Anfechtungsklagen beschränkt. Zwar ist der § 113 Absatz 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), dem § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG wörtlich nachgebildet ist, nach der Rechtsprechung der des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 06.07.1998, Az. 9 C 45/97) auf Anfechtungsklagen beschränkt. Die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG verweist auf § 113 Abs. 3 Satz 1 VwGO, setzt sich jedoch mit der Rechtsprechung zu dieser Vorschrift nicht auseinander (Deutscher Bundestag, Drucksache 15/1508, Seite 29). Eine Übernahme dieser Rechtsprechung auf die Anwendbarkeit des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG ist jedoch weder zwingend noch sachdienlich. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Einfügung der Vorschrift das explizite Ziel, dem Gericht zeit- und kostenintensive Sachverhaltsaufklärungen zu ersparen, die gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs (SGB) Zehntes Buch (X) - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - in erster Linie der Behörde im Rahmen des Verwaltungsverfahrens obliegen und deren Kosten im sozialgerichtlichen Verfahren wegen des Grundsatzes der Kostenfreiheit (§ 183 SGG) nach derzeitiger Rechtslage in der Regel nicht auf die Verfahrensbeteiligten abgewälzt werden können. Die Gesetzesbegründung merkt in diesem Zusammenhang an, dass nach den Beobachtungen der Praxis die erforderliche Sachverhaltsaufklärung von den Verwaltungsbehörden zum Teil unterlassen werde, was zu einer sachwidrigen Aufwandsverlagerung auf die Gerichte führe. Das gesetzgeberische Anliegen, diesem Missstand entgegenzuwirken, trifft indessen auf alle Klageverfahren zu, denen ein Verwaltungsverfahren mit der Verpflichtung der Behörde zur Amtsermittlung vorangegangen ist. Gerade bei der verbundenen Anfechtungs- und Leistungsklage handelt es sich um die wichtigste Klageart in den Angelegenheiten der sozialen Leistungsverwaltung. Ihr Ausschluss aus dem Anwendungsb...