Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. abschließende Entscheidung über zunächst vorläufig beschiedene Leistungsansprüche. Verpflichtung zum Nachweis leistungserheblicher Tatsachen. angemessene Fristsetzung. Berücksichtigung von Einkommensangaben im Widerspruchsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Die Länge der nach § 41a Abs 3 S 3 SGB II zu setzenden Frist bemisst sich nach den Einzelfallumständen. Eine Mindestfrist von 2 Monaten gilt nicht (Anschluss an SG Berlin vom 25.9.2017 - S 179 AS 6737/17, entgegen SG Augsburg vom 3.7.2017 - S 8 AS 400/17).
2. § 41a Abs 3 S 3 SGB II enthält keine Präklusionsvorschrift. Einkommensangaben der Leistungsberechtigten erst im Widerspruchsverfahren sind bei der endgültigen Festsetzung des Leistungsanspruchs zu berücksichtigen (Anschluss an SG Berlin vom 25.9.2017 - S 179 AS 6737/17).
3. Die Nullfestsetzung nach § 41a Abs 3 S 4 SGB II ist eine spezielle Ausprägung der Versagung nach § 66 SGB I ohne materiell-rechtliche Wirkung. Durch Nachholung der Mitwirkungshandlung kann sie beseitigt werden (entgegen SG Dortmund vom 8.12.2017 - S 58 AS 2170/17).
Nachgehend
Tenor
I. Der Bescheid vom 19.06.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2017 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den endgültigen Leistungsanspruch des Klägers vom 01.10.2016 bis 31.03.2017 an den Beklagten zurückverwiesen.
II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des endgültigen Leistungsanspruchs des Klägers im Zeitraum 01.10.2016 bis 31.03.2017 und einen Erstattungsbescheid des Beklagten über 3581,69 €.
Der 1971 geborene, in Deutschland allein lebende und erwerbsfähige Kläger war im streitbefangenen Zeitraum selbständig tätig und erbrachte Personaldienstleistungen jeglicher Art. Bei Antragstellung wiesen seine Konten in Summe 395,15 € Forderungen gegen Banken sowie 148,63 € Schulden aus. Er bezog ergänzend zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 20.09.2016 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 09.12.2016 vorläufig Arbeitslosengeld II, für Oktober 2016 in Höhe von 640,22 € (404 € Regebedarf und 236,22 € Bedarf für Unterkunft und Heizung), für November 2016 404 € (nur Regelbedarf), für Dezember 2016 601,81 € (404 € Regelbedarf und 197,81 € Bedarf für Unterkunft und Heizung) und für Januar bis März 2017 645,22 € (409 € Regelbedarf und 236,22 € Bedarf für Unterkunft und Heizung). Der Beklagte prognostizierte jeweils ein monatliches Einkommen in Höhe von 100 € und rechnete bereinigt um die Freibeträge daher monatlich 0 € an.
Mit Schreiben vom 03.04.2017 forderte der Beklagte den Kläger auf, Unterlagen und Nachweise für eine abschließend Entscheidung über den Bewilligungszeitraum 01.10.2016 bis 31.03.2017 bis zum 31.05.2017 vorzulegen. Dabei forderte der Beklagte ein beiliegendes Zusatzblatt über Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit vollständig ausgefüllt zurück sowie eine Aufstellung über die Betriebseinnahmen und -ausgaben für den Leistungszeitraum, eine Aufstellung der Reisekosten mit Angabe der Notwendigkeit der Dienstreisen und der Abwesenheitsdauer, Aufstellung oder Angaben zu privat und dienstlich gefahrenen Kilometern und eine Aufstellung über angeschaffte Wirtschaftsgüter, deren Finanzierung und Begründung der Notwendigkeit. Weiter einhielt das Schreiben vom 03.04.2017 u.a. folgenden Passus:
"Kommen die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder nicht fristgemäß nach, stellt das Jobcenter fest, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand…
Sollten Sie bis zum oben genannten Termin nicht antworten bzw. die angeforderten Unterlagen nicht einreichen, wird das Jobcenter mit Bescheid für den Bewilligungszeitraum, für den die geforderten Unterlagen nicht eigereicht wurden, feststellen, dass in dem entsprechenden Zeitraum kein Leistungsanspruch bestand. Die entsprechenden Leistungen sind dann zu erstatten."
Mit Bescheid vom 19.06.2017, zugestellt am 21.06.2017, stellte der Beklagte fest, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand und verfügte, dass der Kläger insgesamt 3581,69 € zu erstatten habe. Der Kläger hätte sich auf das Schreiben vom 03.04.2017 nicht geäußert.
Mit Schreiben vom 22.06.2017, beim Beklagten eingegangen am 26.06.2017, widersprach der Kläger. Er habe die Unterlagen am 04.05.2017 persönlich beim Jobcenter L.... eingereicht. Diese sollten per Hauspost weitergeleitet werden. Am selben Tag hätte er auch Unterlagen beim Finanzamt in L.... abgegeben. Er lege die Unterlagen nochmals in Kopie einschließlich des inzwischen ergangenen Einkommenssteuerbescheids vor. Dem...