Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf bei Alleinerziehung. Dreigenerationenhaushalt. Mehrbedarf auch für die Pflege und Erziehung eines minderjährigen Kindes in der Haushaltsgemeinschaft, welches selbst bereits ein Kind hat
Orientierungssatz
Die fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit, nach denen davon auszugehen ist, "dass ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung durch ein Kind, das selbst ein Kind hat, nicht mehr verursacht wird", stehen nicht im Einklang mit dem Gesetz. In einem Mehrgenerationenhaushalt ist ein Alleinerziehungsmehrbedarf für die Großmutter auch dann anzuerkennen, wenn die Teenagertochter, die durch die Großmutter allein betreut wird, bereits selbst ein Baby hat.
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 7.11.2012 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 24.11.2012 und in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.2.2013 verurteilt, der Klägerin weitere Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II für den Monat Dezember 2012 in Höhe von 44,88 € und für die Monate Januar 2013 bis Mai 2013 in Höhe von monatlich 45,84 € (insgesamt für den gesamten streitgegenständlichen Leistungszeitraum 274,08 €) zu zahlen.
2. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten ausschließlich um die Frage, ob der Klägerin ein Alleinerziehungszuschlag nach § 21 Abs. 3 SGB II für die Tochter B zusteht. Streitgegenständlich sind hier weitere Leistungen der Grundsicherung in Höhe von insgesamt 274,08 € für die Leistungsmonate 12/2012 bis 5/2013.
Die 1971 geborene, alleinstehende Klägerin zu 1) ist erwerbsfähig und die Mutter zweier Töchter: der am 27.11.1994 geborenen Tochter A, die mit ihr gemeinsam eine Bedarfsgemeinschaft bildet und der am 7.4.1996 geborenen weiteren Tochter B, die wiederum mit ihrem eigenen Sohn L, dem Enkelkind der Klägerin, geboren am 7.12.2011 eine eigene Bedarfsgemeinschaft bildet. Alle vier Personen leben in einem gemeinsamen Haushalt, der unstrittig von der Klägerin geleitet wird. Der Vater der Töchter oder eine sonstige weitere Person wirken bei der Erziehung und Pflege der Töchter nicht mit. Sowohl die Klägerin selbst (in Bedarfsgemeinschaft mit Tochter A), als auch die Tochter B in Bedarfsgemeinschaft mit dem Enkelkind L erhielten fortlaufend vom Beklagten Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II. Einkünfte erzielte die Klägerin im streitgegenständlichen Leistungszeitraum nicht.
Ursprünglich hatte der Beklagte beide Töchter der Klägerin bei der Berechnung des Alleinerziehendenmehrbedarfs nach § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II berücksichtigt. Mit der Geburt des Enkelkindes L gewährte der Beklagte diese Leistungen für die Tochter B jedoch nicht mehr und bezog sich zur Begründung auf die fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zu § 21 SGB II, wonach mit der Geburt eines eigenen Kindes ausgeschlossen werden könne, dass die minderjährige Mutter selbst noch der Pflege und Erziehung durch die eigenen Eltern bedürfe. Der maßgebende Text der fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit laute: "Damit werden die tatsächlichen Lebensverhältnisse abgebildet. Es wird davon ausgegangen, dass ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung durch ein Kind, das selbst ein Kind hat, nicht mehr verursacht wird."
Für den hier streitgegenständlichen Leistungszeitraum 12/2012 bis 5/2013 bewilligte der Beklagte für die Klägerin daher mit den Bescheiden vom 7.11.2012 und 24.11.2012 neben den unstrittigen Leistungen für Unterkunft und Heizung nur den Regelbedarf in Höhe von 374,- € (für 12/2012) bzw. 382,- € monatlich (für 1/2013 bis 5/2013). Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.2.2013 zurück.
Die Klägerin hat fristgerecht am 14.3.2013 Klage erhoben. Sie zieht nicht in Zweifel, dass für die inzwischen volljährige Tochter A kein Mehrbedarf mehr zu gewähren sei. Für die Tochter B sei jedoch auch dann der Mehrbedarf zu gewähren, wenn diese selbst bereits ein eigenes Kind habe. Denn durch die Geburt des Enkelkindes habe sich an der alleinigen Betreuung der minderjährigen B und der Gestaltung der Lebensverhältnisse der Familie durch die Klägerin nichts geändert.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 7.11.2012 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 24.11.2012 und in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.2.2013 zu verurteilen, der Klägerin weitere Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II für den Monat Dezember 2012 in Höhe von 44,88 € und für die Monate Januar 2013 bis Mai 2013 in Höhe von monatlich 45,84 € (insgesamt für den gesamten streitgegenständlichen Leistungszeitraum 274,08 €) zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.
Der Beklagte verteidigt die angegriffenen Bescheide und verweist auf die fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgä...